Leben am Meer, spielen in der Champions League: Für den Handballer Manuel Späth erfüllt sich mit 35 Jahren beim FC Porto ein Traum. Seine Zwischenbilanz fällt rundum positiv aus – gerne würde der Abwehrspezialist noch ein Jahr dranhängen.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - Es ist der Tag vor dem Champions-League-Auftritt bei Paris Saint-Germain. Manuel Späth sitzt im Hotelzimmer in der französischen Hauptstadt und hat Zeit zu telefonieren. „Irgendwie fühlt sich immer noch alles wie Urlaub an“, sagt der Handball-Profi des FC Porto zu seinem neuen Leben. Der 35-Jährige bezieht das weniger auf seine dienstlich bedingten Städtetrips quer durch Europa, sondern viel mehr auf seinen Alltag an der Atlantikküste. Mit seiner Frau Vanessa und den beiden Kindern Nora (vier Jahre) und Dahlia (zehn Monate) lebt er in einer Wohnung am Meer, keine 50 Meter vom Strand entfernt. „So nah am Wasser zu leben ist ein Riesenluxus. Wenn man einmal im Leben die Chance dazu hat, muss man diese nutzen“, findet Späth.

 

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Das tat der gebürtige Ruiter nach 14 Jahren in der Bundesliga bei Frisch Auf Göppingen (2006 bis 2017) und dem TVB Stuttgart (2017 bis 2020) – verbunden mit dem sportlichen Sprung in die Königsklasse des Handballs. „Wenn die Champions-League-Hymne vor einem Spiel ertönt, ist das immer so ein spezieller Moment, bei dem mir klar wird, was ich da erreicht habe“, sagt der Rechtshänder. Er misst sich mit den Superstars der Branche. Und dieser fast schon märchenhafte Aufstieg zeigt, was im Sport mit Einsatz, Wille und Kampf alles möglich ist. Denn dem Kreisläufer war das Talent nicht in die Wiege gelegt. „Besonders Trainer Velimir Petkovic hat mich mit seiner Art, Handball zu leben, bei Frisch Auf geprägt“, sagt Späth. Was seine eiserne Disziplin eindrucksvoll bestätigt: Von 470 Bundesligaspielen verpasste er zwei – wegen der Geburt seiner Kinder.

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Jetzt also Porto. Magnus Andersson wollte ihn unbedingt haben. Mit seinem ehemaligen Trainer in Göppingen holte er 2016 und 2017 zwei seiner insgesamt vier EHF-Pokal-Titel. Der 54-jährige Schwede schätzt die Führungsqualitäten des 2,00-Meter-Riesen vor allem im Abwehr-Innenblock. Überhaupt ist Bundesligaerfahrung im Team gefragt. Der kroatische Rückraumspieler Ivan Sliskovic (29) wechselte vor dieser Saison von Frisch Auf nach Porto. Seit zwei Jahren gehört der gebürtige Schorndorfer Djibril M’Bengue (2013 bis 2018 beim TVB Stuttgart) zum Kader, inzwischen ist der 28-jährige Linkshänder nach überstandener Sprunggelenksverletzung die Nummer eins im rechten Rückraum.

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Am Tropf der Fußballer

Sie alle genießen die Privilegien beim Großverein. „Man muss sich wirklich um gar nichts kümmern, sogar die Trainingsklamotten werden für uns gewaschen“, sagt Späth. Die extreme Professionalität kommt daher, dass in dem knapp 140 000 Mitglieder starken Traditionsclub die Handballer genauso wie die Basketballer und Hockeyspieler am Tropf der Fußballer hängen. „Geht’ denen gut, geht’s uns gut“, weiß Späth. Und in der vergangenen Saison haben die Kicker des FC Porto sowohl die Meisterschaft, als auch den Pokal-Wettbewerb gewonnen, das Team von Trainer Sergio Conceicao mischt erfolgreich in der Champions League mit.

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Ähnlich wie im Fußball heißen auch im Handball die großen nationalen Konkurrenten Benfica und Sporting Lissbon. In den restlichen Ligaspielen geht es nur um die Höhe des Sieges. Alle Partien werden im vereinseigenen Fernsehen live übertragen. Das sorgt für einen gewissen Bekanntheitsgrad – auch der Handballer. „Einmal saß ich mit meiner Familie im Restaurant. Als ich zahlen wollte, hieß es, das wurde schon alles vom Nebentisch übernommen“, erzählt Späth und wunderte sich: „Ich hatte mit dem Menschen kein Wort gesprochen.“ In 14 Jahren Bundesliga sei ihm das in der Form noch nicht passiert.

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Noch nie vor Zuschauern

Es passt also alles an der Atlantikküste. Fast alles. Denn die Corona-Pandemie sorgt auch in Portugal für Beschränkungen. Am Wochenende herrscht ab 13 Uhr eine Ausgangssperre. Ein Spiel mit Zuschauern in der Halle (der Eintritt beträgt nur fünf Euro) war Späth in seiner neuen Heimat noch nicht vergönnt. Dieses stimmungsvolle Ambiente auch noch mitzuerleben, ist ein weiterer Grund, warum er sich gut vorstellen kann, seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag zu verlängern: „Es wäre schön, aber ich stehe nicht unter Druck.“ Späth hat mit seinem Studium Internationales Management ein zweites Standbein. Und seinen erfüllten Handball-Traum am Meer kann ihm ohnehin keiner mehr nehmen.