Für viele Firmen geht jetzt ums Überleben. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz sieht in der Krise eine Chance und tüftelt an einem Startup-Mekka für die Region.

Böblingen - Der Wandel in der Autobranche wird nach der Corona-Krise nicht einfach verschwinden. Es fehlen Ideen, wie Mittelständler in Zukunft Geld verdienen können. Dass sie dazu nach der Virus-Zwangspause die Gelegenheit bekommen, davon ist der CDU-Politiker und Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz überzeugt. Von seinem Böblinger Bürgerbüro aus erzählt er am Telefon von seinem Vorhaben.

 

Herr Biadacz, der Kreditversicherer Euler Hermes erwartet dieses Jahr mehr als 20 000 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland, sieben Prozent mehr als 2019. Ist die Pleitewelle auch im Kreis Böblingen zu befürchten?

Prognosen sind im Moment schwierig. Die Corona-Beschränkungen treffen fast alle Unternehmen mit voller Wucht. Trotzdem wird der Landkreis Böblingen gestärkt aus der Krise herauskommen, da bin ich mir sicher.

Was macht Sie so zuversichtlich?

Viele Unternehmen im Kreis Böblingen sind besser für den Shutdown gerüstet als Firmen in anderen Regionen. Seit Jahren herrscht hier Vollbeschäftigung, viele Firmen haben für schlechte Zeiten vorgesorgt. Und: Wir sind ein Innovationslandkreis! Unternehmen wie Daimler, Porsche und auch zahlreiche Hidden Champions aus dem Mittelstand entwickeln hier die Zukunft der Mobilität.

Darüber sprechen wir gleich. Die Gegenwart sieht trüb aus, viele kämpfen ums finanzielle Überleben.

Es geht jetzt darum, die Krise zu überstehen. Dazu hat die Bundesregierung zusammen mit den Bundesländern und der Europäischen Union zahlreiche Hilfen auf den Weg gebracht. Allein der Bund hat ein Maßnahmenpaket von 750 Milliarden Euro aufgelegt. Wichtig ist, dass das Geld unbürokratisch und schnell ankommt. Bislang klappt das im Kreis Böblingen gut.

Reichen diese Maßnahmen?

Nein. Wir werden nach den Beschränkungen ein neues Wirtschaftswunder brauchen, um das Niveau von vor der Krise zu erreichen. Dazu werden Konjunkturprogramme nötig sein, um die Sicherheit und Hoffnung für Bürger und Unternehmen zu erhöhen. Wir werden zusammen mit der Europäischen Union solche Pakete schnüren, die in der europäischen Geschichte ihres Gleichen suchen.

Was sieht es mit Hilfen für Städte und Gemeinden aus?

Der Ausfall der Gewerbesteuern trifft viele Kommunen schwer. Auch hier ist die Diskussion noch verfrüht. Der Landkreis Böblingen ist finanziell gut aufgestellt. Die Gemeinden werden nicht drum herumkommen, nicht dringend notwendige Investitionen zu überdenken.

Denken Sie da beispielsweise an Schwimmbäder oder Straßensanierungen?

Das muss jede Gemeinde für sich entscheiden. Investitionen in die digitale Ausstattung, wie zum Beispiel Bildungsplattformen, sollten jedenfalls nicht gekürzt werden. Das ist zu wichtig und muss ausgebaut werden, das hat die Krise deutlich gezeigt.

Sie veranstalten Onlinekonferenzen mit Unternehmern im Kreis Böblingen. Gibt es etwas, das Sie bei den Gesprächen überrascht hat?

Mich hat beeindruckt, wie schnell und kreativ viele Firmen auf die neue Situation reagiert haben. Da wurde in wenigen Tagen ein Onlineshop eingerichtet, um Produkte im Internet zu verkaufen. Oder Restaurants haben einen Lieferservice auf die Beine gestellt. Viele nutzen den Moment, um ihre digitalen Prozesse im Unternehmen zu überdenken und sehen, dass auch Abläufe über Videokonferenzen funktionieren.

Die Krise als Chance?

Auf jeden Fall ja, der Mut zur Veränderung ist besonders bei vielen jungen Unternehmern spürbar. Diesen Mut müssen wir stärken. Es geht darum, den Innovationsgrad in den Unternehmen zu erhöhen, davon hängt unser Wohlstand am Ende ab. Schon vor dem Coronavirus bestimmten wirtschaftliche und technologische Veränderung den Alltag in vielen Unternehmen. Diese Diskussionen werden nach Corona nicht einfach verschwinden.

Sie wollen mehr Gründer und Start-ups in den Landkreis holen. Beides schien bislang nicht die Stärke dieser Region zu sein. Bei Gründungen befindet sich der Kreis Böblingen im deutschen Mittelfeld. Was soll sich ändern?

Der Landkreis Böblingen muss als weltweiter Mobilitätsstandort bekannter werden. Wenn Menschen im Ausland über innovative Technologien in Deutschland sprechen, meinen sie oft Firmen aus dem Landkreis Böblingen. Das wollen Politik und Verwaltung zusammen mit den Unternehmen stärker betonen.

Sie wollen also eine Kampagne starten. Noch etwas?

Ja, in naher Zukunft will ich ein Forum schaffen, in dem Unternehmen der Old Economy auf junge digitale Firmen und Start-ups – die New Economy – treffen, um gemeinsam an der Zukunft der Mobilität zu arbeiten. Es soll ein Start-up-Cluster im Stile eines Technologiezentrums sein. Junge Firmen können sich hier andocken, werden von Experten beraten, bekommen Unterstützung und treffen auf andere Gründer mit ähnlichen Fragen rund um die Mobilität. Das Vorbild dafür ist das Softwarezentrum in Böblingen und Sindelfingen auf der Hulb.

Wie weit sind Sie mit der Planung?

Ich bin mit meinem Team in der Konzeptphase. Es gibt bislang also weder Kosten- noch Zeitpläne. Das gemeinsame Ziel ist jedoch, dass künftig die besten Köpfe mit den besten Mobilitätsideen nicht nach Hamburg, Berlin oder ins Silicon Valley gehen, sondern in den Kreis Böblingen.

Im Alltag sind die Wohnungen hier weder so günstig wie in Berlin, noch ist das Internet hier so schnell wie in Kalifornien.

Beides gehen wir mit Nachdruck an, daran ändert auch die Coronakrise nichts. Was den Breitbandausbau betrifft, wird bis Ende 2022 in 90 Prozent der Gewerbegebiete mindestens ein Gigabit zur Verfügung stehen. Das Thema bezahlbarer Wohnraum ist komplizierter. Wir müssen sowohl nachverdichten als auch mehr Baugebiete ausweisen und mehr bauen. Nur dann werden die Preise sinken. Leider dauert das länger.