Marcus Mann ist seit 2016 Sportdirektor beim 1. FC Saarbrücken. Der Club ist als erster Regionalligist überhaupt in das Halbfinale des DFB-Pokals eingezogen.

Rutesheim/Saarbrücken - Entspannt reisen mit der Bahn. Den Stress auf den überfüllten Straßen vermeiden und die Reisezeit sinnvoll nutzen, dazu schneller am Ziel ankommen. Damit wirbt die Deutsche Bahn in ihren Kampagnen. Von einer entspannten und schnellen Rückfahrt von Dortmund nach Rutesheim ist Marcus Mann aber so weit entfernt wie von seinem Zuhause, als er in Köln am Bahnhof ankommt. Wegen Verspätung hat er seinen Anschlusszug verpasst, muss eine Weile auf den nächsten warten und sich nun darum sorgen, ob er heute überhaupt noch zu Hause ankommt.

 

Doch nach so einem Abend ist auch das zu verschmerzen. Die Fahrten nach Dortmund ins Deutsche Fußballmuseum, wo die Auslosungen für die DFB-Pokalrunden stattfinden, sind für den 36-Jährigen schon fast Routine geworden. Als er das sagt, kann er sich ein Lachen nicht verkneifen. „Wir hätten niemals gedacht, dass wir so oft dorthin fahren dürfen.“

Der Sportdirektor des 1. FC Saarbrücken war dort, als der SSV Jahn Regensburg als Gegner aus der Kugel kam. Er war dort, als die Kölner jubelten, nachdem feststand, dass sie in der zweiten Runde auf den Regionalligisten treffen. Und er war dann ein paar Wochen später erneut dort, als die Kölner nicht mehr jubelten und mit dem Karlsruher SC der nächste Gegner ermittelt wurde. Nachdem der 1. FC Saarbrücken den Zweitligisten im Elfmeterschießen aus dem Pokal geworfen und damit das Viertelfinale erreicht hatte, war das bereits eine mittelgroße Sensation im deutschen Fußball, die nur noch davon getoppt wurde, dass es der traditionsreiche Klub gegen Fortuna Düsseldorf (ebenfalls im Elfmeterschießen) ins Halbfinale geschafft hat. Ein Viertligist im Halbfinale. Das hat es in der 85-jährigen Geschichte des DFB-Pokals noch nie gegeben.

Chancen weiterzukommen, tendieren gegen null

Die Auslosung des Halbfinalgegners hat Marcus Mann dementsprechend entspannt genossen und mit Fassung getragen. „Wir wissen, was wir geschafft haben, und haben es inzwischen auch realisiert, was das eigentlich bedeutet“, betont er. Als nächster Pokalgegner ist Bayer Leverkusen zu Gast. Wahrscheinlich wieder im Hermann-Neuberger-Stadion in Völklingen, das 7000 Zuschauer fasst und in dem der 1. FC Saarbrücken spielt, seit sich das hauseigene Ludwigsparkstadion im Umbau befindet.

Die Chancen, noch mal eine Runde weiterzukommen, „tendieren langsam auf null“, weiß Mann das alles realistisch einzuschätzen. Regionalligist gegen Europa-League-Achtelfinalist, das klingt eigentlich nach dem Vorbericht einer Fernsehübertragung der ersten oder zweiten Runde. „Wir sind nicht so vermessen zu sagen, dass wir das Finale erreichen.“ Dem 1. FC Saarbrücken bleibt wie in den Runden davor nur eine kleine, vielleicht minimale Chance. „Die wollen wir ergreifen, wenn sie sich bietet.“ Falls sie sich bietet. Denn ob am 21./22. April überhaupt gespielt wird, steht derzeit in den Sternen.

Doch bei all der Euphorie gehört Marcus Mann auch zu den ersten, die auf die Bremse getreten haben. „In der jetzigen Phase ist nicht die richtige Zeit, sich vier Wochen lang auf die Schulter klopfen zu lassen.“ Der Fokus liegt ganz klar auf der Regionalliga, in der die Saarbrücker die Tabelle anführen und unbedingt wieder in die dritte Liga aufsteigen wollen.

„Wenn wir es schaffen, beides unter einen Hut zu bekommen, nehmen wir das gerne mit. Wenn wir uns jedoch entscheiden müssten, dann hat die Liga ganz klar Priorität.“ Der Aufstieg steht über dem noch möglichen, wenn auch unwahrscheinlichen Pokalsieg. Und das ist trotz Tabellenführung noch ein fast genauso weiter Weg wie von Köln nach Rutesheim.

Nach dem 0:1 gegen Walldorf am Spieltag nach der Pokalsensation beträgt der Vorsprung auf Tabellenplatz zwei, auf dem ausgerechnet der unliebsame Lokalrivale SV Elversberg steht, noch sechs Punkte, bei einem ausgetragenen Spiel mehr. Doch auch das rückt in den Hintergrund, da niemand weiß, wie und ob überhaupt die Runde zu Ende gespielt wird.

Mit langen Wegen kennt sich Marcus Mann aus. Obwohl er eine Wohnung in Saarbrücken angemietet hat, versucht er mindestens ein- bis zweimal in der Woche nach Hause nach Rutesheim zu pendeln und nimmt die 200 Kilometer einfache Strecke in Kauf. Normalerweise jedoch mit dem Auto und nicht mit der Bahn. Diesmal hat er sich anders entschieden, um auf der Reise einiges abarbeiten zu können. „Es gibt derzeit viele Anfragen“, sagt er, „es gibt aber Schlimmeres als sportlich erfolgreich zu sein.“

In Leonberg geboren und bei der SKV in Rutesheim sportlich aufgewachsen, verschlug es Mann in die Nachwuchsabteilung des Karlsruher SC, wo der Innenverteidiger sein Profidebüt gab, danach zu Darmstadt 98 wechselte und ein Jahr später zu den Stuttgarter Kickers. 2009 kam er dann als Spieler nach Saarbrücken, wo er als Kapitän der Mannschaft den Aufstieg in die dritte Liga schaffte. Als er 2016 seine Karriere bei der U 23 der TSG Hoffenheim in der Regionalliga ausklingen ließ („Dort konnte ich mein Studium und Fußball unter einen Hut bekommen“) erinnerten sie sich in Saarbrücken zurück an einen verantwortungsbewussten Innenverteidiger, der wusste, wie man den Laden auf dem Feld zusammenhält.

Er traut sich diese Aufgabe zu

Sie fragten, ob er das nicht auch abseits des Feldes könne. Konkret, ob er Sportdirektor werden möchte. „Das war die vielleicht unruhigste Phase in der jüngeren Vereinsgeschichte“, erinnert er sich zurück. Es gab auf gleich mehreren Ebenen einen Umbruch. Er traute sich diese Aufgabe zu, und im Klub und drumherum bescheinigen sie ihm eine gute Arbeit. „Zumindest hat sich noch keiner ernsthaft beschwert“, sagt er und lacht. Vielleicht, weil er als Schwabe vorsichtig mit Geld umzugehen wisse und ein Freund davon sei, nicht mehr auszugeben als nötig. Auch in dieser Hinsicht kam die Finanzspritze durch die Einnahmen im DFB-Pokal gerade recht. Um die fünf Millionen Euro Prämie gab es bisher für das Erreichen des Halbfinals. „Sportlich wie wirtschaftlich ist die Pokalsaison bisher ein voller Erfolg. Wir haben es durch die Einnahmen geschafft, dass der Verein wieder schuldenfrei ist“, freut sich der Sportdirektor.

Fehlt nur noch der Aufstieg, um der Saison die Krone aufzusetzen. Und vielleicht der Pokalsieg am 23. Mai gegen den FC Bayern im Finale und die damit verbundene Qualifikation für die Europa League. Aber das alles ist inzwischen unsicherer denn je.