Die Weil der Städterin Margarita Riedel durfte an Bord der „Sofia“, dem größten fliegenden Teleskop der Welt.

Weil der Stadt - Und dann hat auch noch Donald Trump dazwischengefunkt. Alles andere als glatt verlief der Ausflug von Margarita Riedel in die Stratosphäre, also in die höchsten Höhen bis kurz vors Weltall. Ein solcher Ausflug jedenfalls war geplant – allerdings im Februar dieses Jahres. In den USA war „Shutdown“, Haushaltssperre, weil sich Trump und der Kongress über die Mauer an der Grenze zu Mexiko stritten.

 

„Bis zwei Tage vor unserem Abflug wussten wir nicht, ob es klappt“, erzählt Margarita Riedel. Das wäre dann richtig schade gewesen. Denn die Weil der Städterin ist eine von vier Menschen aus Deutschland, die in diesem Jahr einen Ausflug nach Kalifornien machen dürfen, um von dort aus mit der „Sofia“ mitzufliegen. Sofia steht für „Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie“. Das ist eine Boeing 747SP, die zu einer fliegenden Sternwarte umgebaut wurde.

Zu 20 Prozent wird die Sofia von Deutschland getragen und finanziert, zu 80 Prozent von der Nasa. Und das war der springende Punkt. Denn die US-Raumfahrtbehörde ist öffentlicher Dienst und damit zu jenem Zeitpunkt von der Haushaltssperre betroffen. „Die Kollegen meinten nur: ,Kommt doch, wir hoffen, dass es klappt’“, berichtet Riedel.

Im Dezember, also knapp zwei Monate zuvor, hatte sie überhaupt erst erfahren, dass sie einen der vier begehrten Plätze bekommt. Bewerben können sich dafür Physiklehrer und Menschen, die Astronomie weitergeben und vermitteln. Die Nasa, das Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Universität Stuttgart wollen damit die Faszination für das Weltall und für die Sofia unter die Menschen bringen. Margarita Riedel war früher Physiklehrerin am Weil der Städter Gymnasium, engagiert sich in der Jugendgruppe der Kepler-Gesellschaft Weil der Stadt und arbeitet ehrenamtlich beim Technikmuseum Speyer mit, wo sie russische Kosmonauten dolmetscht.

„Das ist wirklich wie ein Sechser im Lotto“

„Als ich erfahren habe, dass ich mitdarf, war ich aus dem Häuschen“, erinnert sie sich. „Das ist wirklich wie ein Sechser im Lotto.“ Urlaub ist es aber nicht, der Ausflug nach Kalifornien. Die Sofia ist ja auch kein Wohlfühl-Flugzeug, sondern eine fliegende Forschungsstation. Wenn man Riedel davon erzählen hört, klingt das auch nicht ganz ungefährlich. Denn die Sofia fliegt in die Stratosphäre in 14 Kilometern Höhe (Passagierflugzeuge erreichen nur eine Höhe von etwa elf Kilometern). Und dann passiert es: Dort oben geht nämlich eine Klappe auf, etwa vier mal vier Meter groß. Denn Kernstück der Sofia ist ein Teleskop, das durch diese Klappe in den Himmel schaut.

In der Höhe öffnet die Sofia eine Klappe für die Teleskope. Foto: dpa
„Es hat lange gedauert, bis die technische Entwicklung so weit war, dass das Flugzeug trotz der offenen Klappe stabil fliegen kann“, weiß Margarita Riedel, die selbst Physikerin ist. Viel Tüftelei und Hirnschmalz der Ingenieure in Deutschland waren auch notwendig, dass das Teleskop trotz der Flugvibrationen scharfe Bilder erzeugt.

Aber warum der Aufwand? „In der Stratosphäre gibt es keinen störenden Wasserdampf“, erklärt Riedel. „Das heißt, man kann den Himmel mit wesentlich weniger Störfaktoren beobachten, als das auf der Erde möglich ist.“

Und das wollte die Weil der Städterin selbst erkunden. In Palmdale, etwa eine Autostunde nördlich von Los Angeles, ist sie schließlich zusammen mit drei weiteren Lehrern angekommen. Die Gefahr des Shutdowns war zwar gebannt. Dann aber zieht der Schnee über Kalifornien auf: Flug in dieser Nacht nicht möglich, hieß es. Macht nichts, es waren ohnehin zwei Flüge geplant. Nächster Abend, neuer Versuch. „Plötzlich wurden die Nasa-Techniker hektisch“, erinnert sich Riedel. Ein Kühlgerät des Teleskops ist ausgefallen, wieder kommt die traurige Nachricht: Kein Flug. Jedes Abheben der Sofia kostet, umgerechnet auf die gesamten Projektkosten, etwa eine Million US-Dollar, da will man kein Risiko eingehen.

Antje Lischke-Weis vom Deutschen Sofia-Institut der Uni Stuttgart, die die Pädagogen begleitet, schafft aber, was es noch nie gab: Dass die Mission der Deutschen verlängert wird. Und es klappt. Zwei Nächte lang geht es jeweils zehn Stunden durch die Nacht, davon wird acht Stunden lang geforscht. Bis nach Kanada fliegt die Sofia zum Beispiel. An ihren Arbeitsplätzen in dem Flugzeug sehen die Wissenschaftler die Bilder, die das Teleskop erzeugt. „Wir durften alle mit ansehen und hören, was sie diskutierten“, berichtet Margarita Riedel. In jenen Nächten sehen sie die Balkengalaxie M66 im Sternbild Löwe und grüne Erbsengalaxien.

Das allererste Ur-Molekül gefunden

Noch gar nicht so lange ist es her, da gelang den Sofia-Wissenschaftlern ein Erfolg, der es auch in die Schlagzeilen schaffte. Im April fanden sie das Heliumhydrid-Ion, also quasi das Ur-Molekül, das allererste Molekül, aus dem nach dem Urknall alles andere entstanden ist. In der Theorie hatte man seit 100 Jahren angenommen, dass es dieses Ion geben müsse. Im Weltall war es trotz aufwendiger Suche bisher nicht aufzufinden – mit der Folge, dass die damit verbundenen chemischen Modellrechnungen angezweifelt wurden.

„Mit der Sofia haben wir nun den Nachweis erbracht, dass dieses Molekül sich tatsächlich in planetarischen Nebeln bilden kann“, gab Anke Pagels-Kerp, die Abteilungsleiterin für Extraterrestrik beim DLR, im April bekannt. Sie spart deshalb nicht mit Bewunderung: „Derzeit gibt es kein anderes Teleskop, welches in diesen Wellenlängen beobachten kann. Das macht diese Beobachtungsplattform noch für viele Jahre einzigartig.“

Es geht also um die Entstehung des Weltalls. Beim zweiten Flug in der Nacht darauf fliegt sogar Alfred Krabbe, der Leiter des Deutschen Sofia-Instituts, mit. Über den Wolken gibt der Professor den deutschen Lehrern eine Vorlesung über die Sofia. Und am Horizont sind währenddessen Polarlichter zu sehen.

„Das waren mit die aufregendsten Tage in meinem Leben“, sagt Margarita Riedel. Dabei hat sie schon einiges erlebt. In Kasachstan ist sie als Kind deutschstämmiger Spätaussiedler aufgewachsen, in Taschkent (Usbekistan) hat sie Physik und Pädagogik studiert. Seit 1991 lebt sie in Deutschland, seit 2001 in Weil der Stadt. Sie arbeitete am Kepler-Gymnasium Weil der Stadt und an den Unis Tübingen und Stuttgart, seit 2014 ist sie nun selbst beim DLR.

„Natur, Wissenschaft und Technik zu erklären, das hat mich schon immer begeistert“, sagt die 56-Jährige. Bei Vorträgen hat sie jetzt ein ganz neues Thema, nämlich die Sofia. Und wer könnte authentischer davon berichten als Margarita Riedel, die jetzt selbst mit an Bord war?