Die gleichen Geschichten seit 15 Jahren: Mario Barth ist am Freitag Abend in der Schleyerhalle aufgetreten. Eine Kritik.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Zweimal hintereinander die Schleyerhalle zu füllen, das schaffen nur die Allerwenigsten, mag man erstaunt denken, eh die große One-Man-Show endlich beginnt. Denn wie immer lässt sich Mario Barth mit einiger Verspätung ankündigen wie es sich für einen, nun ja, Popstar gebührt, der in ganz anderen Größenordnungen denkt als so ein Komödiant der alten Schule, der froh sein kann, wenn im Renitenztheater die ersten Reihen geschlossen sind.

 

Ein neuer Weltrekord steht an, haben wir vorneweg zwischen allerlei Begrüßungsfloskeln und Ankündigungen erfahren. Pfingsten 2014 soll das Berliner Olympiastadion zweimal gefüllt werden, was dann ungefähr fünf Mal so viele Zuschauer wie an diesem Wochenende in Stuttgart wären – 100 000. Multipliziert man diese Summe mit einem gewissen Anteil des Eintrittspreises (in Stuttgart kosten allerletzte Restkarten an der Abendkasse 35 Euro), rechnet die Comedy-Stadion-Tour im Sommer 2011 und all die ausverkauften Hallen der vergangenen Jahre hinzu, nährt das die Hoffnung, dass dieser Mann doch irgendwann gar nicht mehr auftreten müsste. Dem gegenüber steht allerdings die Befürchtung, dass er einer von denen ist, die den Hals niemals voll kriegen.

Nachdem Mario Barth also im September 2012 mit seinem damals neuen Programm „Männer sind schuld, sagen die Frauen“ das erste Mal die Schleyerhalle füllte, werden nun die Fans abgegriffen, die damals nicht zum Zug gekommen waren. Apropos: Die aufwendige Kulisse, die zu nichts weiter gut ist als Barth die Vorfahrt zu gewähren – dies dank Pause wenigstens zweimal – trägt den Namen „U-Bhf Kennste-Kennste-Allee“. Und natürlich muss der Hauptstädter unbedingt bemerken: „Wir haben unseren eigenen Bahnhof mitgebracht – weil eurer ist ja noch nicht fertig.“ Eigene Vorlagen verwandeln gehört zum Auf-Nummer-sicher-Prinzip des Mario Barth, der manchmal einen Riesenanlauf braucht, einen Erzählstrang mit Einschüben und Wiederholungen verzögert, eh er dann wahlweise das „Allerbeste“ oder „Allergeilste“ ankündigt, gerne auch lachend, damit der ganze Aufwand für eine Pointe, die eventuell nicht ankommt, nicht umsonst gewesen ist. „Kein Witz“, schiebt er dann sicherheitshalber noch hinterher, weil: soll ja einer gewesen sein.

Geschichten hört man seit 15 Jahren

So gesehen könnte man jedes „kennste, kennste, kennste?“ mit einem „ja, ja, ja!“ quittieren, zumal man die Geschichten über Mario Barths „Freundin“, gelegentlich „The Brain“ genannt – „die ist nicht doof, die hat studiert, fertig, nicht Bachelor mit Rosen und so, sondern Diplom“ – seit 15 Jahren hört. Nur dass die festgeschriebenen Rollenklischees, in denen auch ein bisschen Wahrheit steckt, weswegen man beim versehentlichen Schmunzeln ein schlechtes Gewissen bekommen könnte, sich in immer wieder „neuen“ Alltagssituationen widerspiegeln. Zum Beispiel die Freundin und ihr hoher Pkw-Verschleiß, weil sie trotz „Diplom in Spülmaschine“ und Rückfahrtkamera nach hinten durch die Heckscheibe schaut statt auf den Monitor vorne.

Zwischendurch gibt Barth den Paartherapeuten, erfährt, dass ein Pärchen zwei Jahre und drei Monate zusammen ist, rät von einer gemeinsamen Wohnung ab und bügelt eine Zwischenruferin äußerst uncharmant ab mit: „Haste keenen Mann? Weeßte auch warum?“ Im zweiten Teil zündet er ein paar Fäkal- beziehungsweise Furzwitze, die ja ihr Ziel nie verfehlen, bis er dann bei seiner Stimmbandoperation mit der Folge „14 Tage nicht sprechen“ landet. Schreckliche Vorstellung.

Drei Bruttostunden inklusive Verspätung und einer langen Werbepause, in der man „Schuld“-Voodoo-Puppen, Brüllkäfer oder „Janz wichtig“-Fußmatten erstehen kann, geht das so. Die neue TV-Show „Mario Barth deckt auf“ dauert nur zwei Stunden, und da kann man sich zwischendurch sogar außerhalb der Werbepausen ein Bier holen. In der Schleyerhalle aber ist – vermutlich aus Respekt vor dem Künstler – kein Ausschank während der Vorstellung. Im Fernsehen geht es übrigens um die Verschwendung von Steuergeldern. Da die Show auf RTL läuft, kann man nicht von Gebührenverschwendung sprechen, wohl aber wie in der Schleyerhalle von einem noch schlimmeren Vergehen: Zeitverschwendung.