Der deutsche Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen wird siebzig Jahre alt. In seiner Karriere hat er schon vieles erlebt.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Neulich lief im spätabendlichen Nischenprogramm des Fernsehens mal wieder „Theo gegen den Rest der Welt“. Marius Müller-Westernhagen spielt darin einen Lastwagenfahrer, etwas verpeilt, aber liebenswürdig; die Story ist reichlich hanebüchen, aber immerhin flott erzählt. Sieht man diesen Film, der 1980 ins Kino kam, heute in der Retrospektive, fällt jedoch neben seiner wahnsinnigen Gestrigkeit vor allem seine Anspruchslosigkeit auf.

 

„Theo gegen den Rest der Welt“ sollte, im Gegensatz zu seinem launigen (allerdings längst nicht so erfolgreichen) Prequel „Aufforderung zum Tanz“ und dem dritten bekannten Westernhagen-Film „Der Schneemann“ der kommerziell größte Erfolg in der Filmschauspielerkarriere des Mannes aus Düsseldorf werden, der an diesem Donnerstag nicht nur mal wieder Nikolaus, sondern auch seinen siebzigsten Geburtstag feiern darf.

Erst Schauspieler, dann Musiker

Seine Darstellerkarriere hängte der Sohn des Mimen Hans Müller-Westernhagen – der am Düsseldorfer Schauspielhaus unter der Intendanz von Gustav Gründgens spielte – allerdings schon Ende der achtziger Jahre an den Nagel, fortan widmete er sich ausschließlich seinem zweiten und eigentlichen Standbein, der Musik.

Diese Karriere ging für Müller-Westernhagen floppend und zugleich extrem populär los. Von seinem zweiten und dritten Album redete damals und redet bis heute niemand, das Debüt „Das erste Mal“ von 1975 hingegen wurde immerhin mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Und das vierte Album, ja, das hieß 1978 „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ und mauserte sich nach anfänglich karger Beachtung zu einem Deutschrock-Klassiker.

Der gleichnamige Titeltrack, „Mit 18“, „Johnny Walker“, „Willi Wucher“ und „Dicke“ heißen die großen Kracher allein auf diesem Westernhagen-Album. Die Alben „Stinker“ und „Das Herz eines Boxers“ folgten, weitere Riesenhits wie „Sexy“, „Freiheit“, „Weil ich dich liebe“ und „Es geht mir gut“. Anfang der neunziger Jahre war Marius Müller-Westernhagen auf dem Popularitätszenit, er spielte auf seiner Stadiontournee vor zigzehntausend Menschen.

Auch ein Star erlebt Rückschläge

Zwei kleine Rückschläge gab es aber. Zum einen war da das genannte Lied „Dicke“, dessen Text er selbst als Plädoyer wider die Diskriminierung adipöser Menschen verstanden haben wollte, das von einigen Radiosendern aber als Verulkung Fettleibiger boykottiert wurde. Er scheint mittlerweile selbst zu zweifeln – bei seinem letzten Stuttgarter Konzert vor gut einem Jahr spielte Westernhagen ausnahmslos alle seine Hits. Nur „Dicke“ nicht.

Nur noch Westernhagen – so heißt er nämlich seit jenen Tagen des Rückschlags. Das war sein Imagewechsel, mit dem er sich des Feinripp-Unterhemds entledigte und sich den Ruf des arroganten „Armani-Rockers“ einhandelte. Künstlerisch erholt – auch wenn materiell gewiss alles in nicht nur feinen, sondern auch trockenen Tüchern ist – hat er sich davon bis heute nicht. Keine Frage, Westernhagen findet noch immer ein großes Publikum für seine Musik, die Schleyerhalle zeigt’s. Aber an der verkrampften Attitüde, nicht mehr als anspruchsloser Theo und als breitbeiniger Stadionrocker, sondern unbedingt als „ernsthafter“ Künstler wahrgenommen werden zu wollen, am übertrieben distinguierten Habitus und dem stellenweise an den Tag gelegten Moralpredigerton leidet seine Wahrnehmung in Teilen der Öffentlichkeit noch immer. Was ein wenig schade ist, denn das hat der nach wie vor sehr vitale und sehr aktive Künstler Marius Müller-Westernhagen gar nicht nötig.