Veganer lehnen nicht nur Fleisch und Fisch ab, sondern alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs. In der Alten Kelter in Winnenden hat ein Markt Alternativen zu herkömmlichen Ernährungsformen aufgezeigt und darauf hingewiesen, warum das so wichtig sei.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Der Schweizer Käse namens No-Muh basiert statt auf Kuhmilch auf Kartoffelstärke. Anstelle von Eiern gibt es das ähnlich wortsinnige Stärkemehl No Egg. Als besonders eiweißhaltig wird Tempeh empfohlen, ein traditionelles indonesisches Nahrungsmittel, das aus fermentierten Sojabohnen besteht. Ein bisschen wie gewürztes Hackfleisch schmeckt der Tartar aus gekrümelten Reiswaffeln mit Tomatenmark, Öl und Zwiebeln. „Es gibt nichts, was sich nicht durch pflanzliche Produkte ersetzen ließe“, sagt Helga Fink, die „Die Kichererbse“, Stuttgarts ersten rein veganen Laden für Käse-, Wurst- und Fleischalternativen führt. „Nur für Hüttenkäse habe ich noch nichts gefunden.“

 

Helga Fink und die Kichererbsen-Mitinhaberin Nora Hoffrichter haben am Samstag mit mehr als einem Dutzend weiteren Anbietern und Organisationen auf Einladung der Initiative Winn-Vegan in der Alten Kelter in Winnenden für eine „tierfreundliche Lebensweise“ geworben. Kopf der Bewegung ist Gudrun Obleser. Nach einer „vegetarischen Phase“, die bereits Anfang der 1980er-Jahre begonnen hat, ernährt sich die 75-Jährige seit nahezu 20 Jahren rein pflanzlich und verzichtet dabei nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auf alle Produkte, die auf einer „Ausbeutung von Tieren“ basieren.

Tiere sind nicht zum Essen da

„Tiere sind Lebewesen und keine Lebensmittel“, nennt Obleser den Hauptgrund dafür, dass sie Veganerin geworden ist. Veganismus sei nicht nur eine Ernährungsweise, sondern ein konsequentes Umsetzen von ethisch-moralischen Grundsätzen, sagt sie. „Fast alle Menschen wissen, dass Schweine unendlich leiden müssen, blenden das aber komplett aus, wenn sie ihr Schnitzel essen.“

Auch Vegetarier handelten nicht konsequent genug, wenn sie Nahrungsmittel konsumierten, die aus der Nutztierhaltung entstehen. Eine Kuh beispielsweise müsse jedes Jahr mindestens ein Kalb gebären, damit sie weiterhin Milch geben könne. „Diese Kälbchen überlassen die Vegetarier dann den Fleischfressern“, zitiert Obleser eine provokante These aus der Veganerliteratur. Auch Eier sind für Veganer tabu, weil für deren Produktion nicht nur Hochleistungslegehennen gezüchtet würden, sondern im Zuge der Nutztierproduktion jährlich mehr als 50 Millionen „wertlose“ männliche Küken umgebracht und geschreddert würden.

Verzichten müsse man als Veganer trotzdem auf nichts, behauptet Gudrun Obleser. „Wie man mir vielleicht ansieht, esse ich gerne und gut.“ Es gebe viel mehr Pflanzen- als Tierarten, und Kochen sei ohnehin nur eine Sache der Intelligenz: „Es kommt darauf an, was ich aus den mir zur Verfügung stehenden Zutaten mache.“

„Bin ich eine Katze die Mäuse fängt?“

„Tiere sind nicht dazu da, um dem Menschen zu dienen und schon mal gar nicht, um gegessen zu werden“, sagen Veganer. Aber das Tierreich selbst verzichtet doch darauf nicht? „Bin ich eine Katze, die Mäuse fängt, weil sie ihrem Instinkt folgt?“, stellt Gudrun Obleser dazu eine Gegenfrage und antwortet in einem Atemzug: „Ich bin ein Mensch, der selbst entscheiden kann, was er tut.“ Ihre Entscheidung sei, so viel Leid wie möglich zu verhindern.

Und wenn nachgewiesen wird, dass auch Pflanzen Schmerz empfinden? Sicher sei, das Pflanzen über kein zentrales Nervensystem verfügten, sagt Obleser. „Aber klar, dann muss ich meine Grenzen möglicherweise neu definieren.“

Sie wolle nicht missionieren, behauptet die frühere Konrektorin der Winnender Stöckachschule, sie stehe aber auch zu ihrer Überzeugung. „Meine Idealvorstellung ist eine Veganisierung der Welt.“

Ihre öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema hat Ende der 90er-Jahre zunächst im privaten Kreis begonnen. Gudrun Obleser und ihr Mann Horst luden in ihr Eigenheim zum Veganerstammtisch ein. Viele fremde Menschen seien mit Schüsseln voll veganer Produkte gekommen. Daraus habe sich dann ein regelmäßiger Veganerbrunch in der Alten Kelter entwickelt. Als dieser in einen „veganen Konsumrausch“ ausgeartet sei – „einige Gäste verfuhren nach dem Motto: heute Italiener, morgen Veganer und übermorgen gutbürgerlich schwäbisch“ –, habe man sich auf Vortragsveranstaltungen konzentriert.

Seit drei Jahren ist der Markt in der Alten Kelter hinzu gekommen. Dort gebe man nicht nur Anbietern veganer Produkte die Gelegenheit, sich zu präsentieren. Auch Tierrechtsorganisationen wie Animal Rights Watch (Ariwa) sind mit von der Partie, denn der Markt solle in erster Linie der Information und Aufklärung dienen.

Und nebenbei die Gemeinschaft stärken. Im Sommer haben die Oblesers darüber hinaus an einer rein veganen Flusskreuzfahrt auf der Donau teilgenommen. „Das war ein tolles Erlebnis“, sagt Gudrun Obleser, „nicht nur wegen der veganen Verköstigung, sondern weil wir mit 150 Menschen zusammen sein konnten, die alle die gleichen Ideale haben“.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Vegetarismus
Vegetarier ernähren sich vornehmlich von Nahrungsmitteln pflanzlichen Ursprungs und meiden Produkte, die von getöteten Tieren stammen, wie Fleisch und Fisch. Der Begriff leitet sich aus den englischen Wörtern vegetation (Pflanzenwelt) und vegetable (Gemüse) ab.

Veganismus
Vegan lebende Menschen verzichten darüber hinaus auch auf alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs, wie etwa Milchprodukte, Eier oder Honig. Auch Produkte, die auf der Nutzung von Tieren basieren, etwa Federkissen oder Lederjacken, sind verpönt. Der Begriff geht auf den Engländer Donald Watson zurück, der 1944 die Vegan Society gründete, eine Abspaltung der englischen Vegetarian Society (Vegetarier-Gesellschaft).