Sollen die Autos aus der Altstadt verschwinden? Händler befürchten weniger Umsatz.

Weil der Stadt - Nein, eine Tasche benötigen sie nicht, sagen viele Kunden von Brigitte Mareczek. Sie hätten nämlich direkt vor der Tür, auf dem Marktplatz, geparkt. Dort liegt Mareczeks „Buch & Musik“-Geschäft. Die Inhaberin ist nicht gut auf die großen Pläne der Stadt zu sprechen. „Ich freue mich, dass endlich was geschieht“, sagt sie zwar. „Aber man kann doch nicht einfach unreflektiert Pläne von 2008 aus der Schublade holen.“

 

Es soll der große Befreiungsschlag für die brach liegende Weil der Städter Altstadt werden. Vergangene Woche hatten Bürgermeister Thilo Schreiber (CDU) und sein Beigeordneter Jürgen Katz verkündet, den Marktplatz umgestalten zu wollen. Eine ebene Fläche soll entstehen, dazu Treppenstufen, eine Baum-Reihe und Sitzplätze. Springender Punkt: Der Platz wird dann autofrei, die bisherigen Parkmöglichkeiten verschwinden.

Die Buchhändlerin Brigitte Mareczek befürchtet Umsatzeinbußen. „Ich schätze, dass die Hälfte bis zwei Drittel wegfallen. Ich habe viele Kunden, die von außerhalb kommen und hier parken.“ Mareczek verweist auf die leeren Marktplätze in Leonberg oder Calw. „Das kann man doch nicht wollen!“

Erst Ersatzparkplätze schaffen

Schräg gegenüber, ebenfalls direkt am Marktplatz, liegt das Brillen-, Schmuck- und Hörgerätegeschäft von Sonia Widmaier. Sie findet die Autofrei-Pläne zwar „grundsätzlich gut“. „Wir brauchen aber zuerst Ersatz, bevor wir einen autofreien Marktplatz schaffen“, sagt sie und schlägt etwa ein Parkdeck am Calwer Tor vor.

Schon heute hätten Kunden zwischen 16 und 18 Uhr Probleme, Parkplätze zu finden. „Unsere große Sorge ist, dass die Kunden dann woanders hingehen, wo sie besser parken können.“ Sonia Widmaier kann das immer dann beobachten, wenn der Marktplatz wegen einer Veranstaltung gesperrt ist. „Dann haben wir deutlich weniger Kunden hier“, berichtet sie.

Betroffen von dem Marktplatz-Umbau sind aber nicht nur Geschäftstreibende. In der Altstadt befinden sich auch zwei Apotheken und mehrere Arztpraxen. Wilhelm Gassenmaier betreibt seine Praxis schon seit 35 Jahren direkt am Marktplatz. „Für unsere Patienten wäre das eine erhebliche Einschränkung“, sagt der Internist. Vor allem jene, die nicht mehr gut zu Fuß sind oder an dem Atemwegen erkrankt sind. „Wir hoffen, dass man auch künftig wenigstens kurz bis vors Haus fahren kann“, sagt er. „Ansonsten könnten wir diese Praxis kaum mehr betreiben.“ Gassenmaier erinnert sich an einen Vorfall im Sommer, als das Rote Kreuz seine Praxis habe anfahren müssen. Wegen des Strandsommers habe das große Probleme gemacht.

Etwas weiter bergab, in der Stuttgarter Straße, betreibt die Familie Biebach ihr Freikostgeschäft „Fruchtkörble“. Juniorchef Kevin Biebach findet es zwar auch gut, dass sich die Kommunalpolitik um die Altstadt kümmert. „Es müssen aber vor allem der Einzelhandel und die Gastronomie gestärkt werden – sonst bringt alles nichts“, sagt er. Richtige Probleme würde er bekommen, wenn auch die Stuttgarter Straße autofrei gemacht würde. „Ich kann von einer älteren Dame nicht verlangen, dass sie ihre Kartoffeln bis zum Carlo-Schmid-Platz schleppt“, sagt Biebach. Der Feinkost-Händler bestätigt, dass er jede Einschränkung des Autoverkehrs sofort spürt. „Aus unserer Sicht ist es nicht durchdacht, dass man vom E-Center nicht mehr in die Altstadt reinfahren kann“, sagt er. Um den Verkehr zu beruhigen, hatte die Stadtverwaltung dort 2016 eine Einbahnstraße eingeführt.

Wenig Kommunikation mit den Betroffenen

Alle befragten Betroffenen kritisieren zudem, dass sie bislang wenig in die Pläne der Stadtverwaltung und des Gemeinderates eingebunden wurden. „Ich habe den Eindruck, das Ding ist fertig geplant und wird jetzt umgesetzt“, sagt die Buchhändlerin Brigitte Mareczek. Sie hätte sich gewünscht, dass man auch Bürger befragt. „Man hätte uns Gewerbetreibende an einen runden Tisch holen können“, sagt auch Sonia Widmaier. Das habe die Stadtverwaltung auch versprochen. „Deshalb war ich erstaunt, dass wir jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.“

Noch am Tag der Bürger-Infoveranstaltung am vergangenen Dienstag hatte deshalb Hansjörg Bay, der Vorsitzende des Gewerbevereins, eine Mail an die Rathausspitze und die Fraktionschefs im Gemeinderat geschrieben. Darin machte er auf die Notwenigkeit von Kurzzeitparkplätze auf dem Marktplatz aufmerksam.

„Wir wissen nicht, wie ältere Menschen oder eine Mutter mit Kind sonst in die Geschäfte, die Apotheke oder zum Arzt kommen soll“, erklärt Bay unserer Zeitung. Wenn die Anfahrt nicht mehr möglich sei, sterbe die Altstadt noch mehr aus. „Die Leute stimmen dann mit den Fußen ab und fahren dorthin, wo es eine Tiefgarage gibt.“ Hansjörg Bay fordert, dass die Stadtverwaltung die Pläne nochmals überarbeitet. „Man muss nochmals darüber nachdenken, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, auf dem Marktplatz mehr Kurzzeit-Parkplätze einzurichten“, sagt der Steuerberater. Er verweist auf Rutesheim. „Dort sieht man, dass es sehr wohl geht, parken und Platz miteinander zu kombinieren.“

Am Dienstag will der Gemeinderat den Marktpatz-Umbau beschließen.