Der ehemalige Oligarch Michail Chodorkowski ist am Mittwoch bei Markus Lanz zugeschaltet und verkündet eine verstörende Botschaft: Russland ist schon im Krieg mit der Nato.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Nachdem Michail Chodorkowski kurz vor Weihnachten 2013 vorzeitig und völlig überraschend aus der Haft entlassen wurde, war es lange Zeit still geworden um den ehemaligen Yukos-Chef. Der ehemals wohl reichste Mann Russlands, der sich mit Machthaber Wladimir Putin überworfen hatte, blieb in London ruhig – und anders als andere Putin-Gegner am Leben. Seit einiger Zeit hat die Schweigsamkeit nachgelassen, erst recht seit dem Beginn des Ukraine-Krieges. Am Mittwoch war Michail Chodorkowski bei Markus Lanz zugeschaltet – er war der mit Abstand interessanteste Gesprächspartner des Abends, mit einer dramatischen und verstörenden Botschaft.

 

Putins Leine ist die Korruption

Wladimir Putin, davon ist Chodorkowski überzeugt, habe schon 2003 seinen Weg gewählt, dessen Ergebnis nun zu sehen sei: „Russland ist ein Land der Korruption und des Krieges“. Die Leine, mit der Putin all die Getreuen um ihn herum mal kürzer und mal länger halte, sei die Korruption, sagt der Mann, der eben in diesem Jahr 2003 wegen Steuerhinterziehung und Betrug hinter Gitter wanderte. Die Frage des Moderators, in wiefern Putin selbst vom ehemaligen Yukos-Chef bezahlt wurde, blieb weitgehend unbeantwortet. Dafür gab es Einblicke in das System um den Kremlherrscher.

Mit Macron wird nicht verhandelt, er wird gedemütigt

Putin sei nicht reich im gleichen Sinne wie Bill Gates oder Waren Buffet, sagt Chodorkowski. Aber er habe jederzeit den vollen Zugriff auf das Geld der Oligarchen, die um ihn herum positioniert sind. „Dieses Geld darf sich nicht in Waffen verwandeln, die den Ukrainern auf die Köpfe fallen“, begründet Chodorkowski seine Forderung nach noch mehr und noch härteren Sanktionen.

Westlichen Politikern wirft der ehemalige Chef des Ölkonzerns Yukos eine gewisse Naivität vor. Sie glaubten ähnlich verhandeln zu können, wie mit Politikern zu Zeiten der Sowjetunion – doch das sei völlig falsch. „Putin ist ein Bandit, er sieht Verhandlungen anders“, sagt Chodorkowski. Bei den wiederholten Gesprächen mit Emmanuel Macron handele es sich nicht um Verhandlungen, sondern um Demütigungen des französischen Präsidenten. Viele im Westen glaubten, mit einem Staatsmann zu verhandeln, „aber wir haben es mit einem Gangster zu tun“.

Russland führt schon Krieg gegen die Nato

Die einzige Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten, sei Stärke, ist Chodorkowski überzeugt. Dazu gehörte eine Flugverbotszone. Die Nato versuche alles, um einen Krieg mit Russland zu verhindern, so seine Analyse – „aber Russland führt schon einen Krieg gegen die Nato, wenn auch nur auf ukrainischem Boden“. Die russische Gesellschaft werde durch die Propaganda bereits darauf vorbereitet, dass es auch nach den Kämpfen in der Ukraine weiter gehe. „Das Baltikum oder Polen – warum sollte Putin aufhören?“ fragt Chodorkowski – und gibt die Antwort selbst: „Es wird weiter gehen, das ist unausweichlich“. Und dann kommt der Satz, der auch einen sonst so schlagfertigen Markus Lanz die Worte versiegen lässt: „Mit Putin wird es wie mit Hitler zu einem Weltkrieg kommen“.

Einführung in das System der Oligarchen

Natalia Klitschko hat während alledem oft zustimmend mit dem Kopf genickt. Die Frau des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko hatte zuvor davon berichtet, wie der Krieg ihren Mann und dessen Bruder Witali verändert hat, und dass die beiden ehemaligen Profi-Boxer niemals das Land und die Stadt aufgeben werden. Der Wissenschaftler Janis Kluge gab eine Kurzeinführung in das System der russischen Oligarchen, inklusive Einschätzung, dass der mächtige Rosneft-Chef Igor Setschin „bestimmt nicht“ von seinem Aufsichtsrat beaufsichtigt werden kann, dessen Vorsitzender Ex-Kanzler Gerd Schröder ist.

Die Wirklichkeit wird verschleiert

Sebastian Fiedler, vielen noch bekannt als Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter, und nun für die SPD im Bundestag, erklärt, wie schwer es ist, die Luxusgüter eben dieser Oligarchen zu beschlagnahmen, weil komplizierte Geflechte von Scheinfirmen die Wirklichkeit verschleiern. Aber all das verblasst im Vergleich zu Michail Chodorkowski, der erklärt: „Beschwichtigungspolitik hat es schon damals bei Hitler gegeben“.