Vier Niederlagen aus fünf Spielen – der Trainerwechsel beim VfB Stuttgart hin zu Markus Weinzierl ist verpufft. Könnte man meinen, doch der Blick in die Vergangenheit macht Hoffnung auf die Wende zum Guten.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Die Messlatte lag hoch. 13 Punkte aus den ersten fünf Spielen, so lautete die Startbilanz von Tayfun Korkut. Er war – gemeinsam mit Christian Groß – der erfolgreichste Neu-Trainer der jüngeren Vereinsgeschichte beim VfB Stuttgart. Es folgen: Thomas Schneider (elf Punkte), Markus Babbel (zehn), Hannes Wolf (zehn/zweite Liga), Jens Keller (acht), Huub Stevens (acht/zweites VfB-Engagement), Jürgen Kramny (acht), Stevens (sieben/erstes Engagement).

 

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Das alte Sprichwort vom gut kehrenden neuen Besen traf beim VfB in den allermeisten Fällen zu. Markus Weinzierl mag man die Bilanz seiner vielen Vorgänger am liebsten gar nicht vorhalten. Bildet sie doch das totale Kontrastprogramm: Fünf Spiele, vier Niederlagen (gegen allerdings starke Gegner), nur ein Sieg. Der neue Besen kehrt noch nicht. Ist der Effekt des Trainerwechsels damit schon verpufft?

Die Wende zum Guten hat der frühere Augsburger zumindest noch nicht eingeleitet. Die zarte Hoffnung, die nach dem 2:0 in Nürnberg aufgekeimt war, hat sich nach dem Spiel in Leverkusen (0:2) schon wieder ein Stück weit verflüchtigt. Spielerische Verbesserungen sind auch nur in Ansätzen zu erkennen. Und an diesem Samstag (15.30 Uhr) geht es gegen den FC Augsburg – paradoxerweise jenen Gegner, der in der Vergangenheit schon dreimal zum Trainerkiller beim VfB Stuttgart wurde. Dreimal mit Markus Weinzierl auf der Bank.

Ein schlechtes Omen? Fakt ist, dass der 43-Jährige trotz seiner schlechten Startbilanz in Stuttgart fest im Sattel sitzt. Die sportliche Führung ist nach wie vor von seiner Arbeit überzeugt. Weinzierl kommt mit seiner ruhigen und analytischen Art gut an – als Fels in der sturmhohen Brandung sozusagen. Der Trainer selbst widerspricht dem Eindruck, nicht gewusst zu haben, auf was er sich beim VfB einlässt. Er sei mit sich absolut im Reinen, heißt es.

Zumindest das macht Hoffnung, dass der VfB sein Potenzial an Trainerwechseln fürs Erste ausgeschöpft hat (und nicht wie Zweitliga-Schlusslicht FC Ingolstadt schon den zweiten Coach in dieser Saison beurlaubt) und mit Weinzierl noch die Kurve kriegt. Irgendwann. Bislang steht der Tabellenletzte im Oberhaus alleine da. Nur ein Trainerrauswurf nach zwölf Spieltagen – das gab es zuletzt vor sechs Jahren.

Studie: Trainerwechsel bringen langfristig nicht mehr Erfolg

Was zu der Frage führt, wie sinnhaft sich der Austausch des Übungsleiters gestaltet – kurz- und langfristig. Auf kurze Sicht erzielen Rochaden auf der Trainerbank tatsächlich den gewünschten Erfolg. Durchschnittlich 6,8 Punkte holten die während einer Saison verpflichteten Bundesliga-Trainer aus den ersten fünf Spielen. Die Bilanz für einen Mittelfeldplatz. Wenn man berücksichtigt, dass meist Teams aus der unteren Tabellenhälfte zu dieser Maßnahme greifen, dann hat das Sprichwort von den neuen Besen und dem schnellen Reinemachen durchaus seine Berechtigung.

Doch wie verhält es sich mit der langfristigen Wirkung? Dazu gibt es eine interessante Studie. Der Physik-Professor Andreas Heuer von der Uni Münster (Fachgebiet: Komplexe Systeme) hat 154 Trainerentlassungen in der Fußball-Bundesliga von 1963 bis 2009 untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis: „Auf lange Sicht bringt es nichts, den Trainer zu wechseln.“

Hier geht es zur großen Situationsanalyse beim VfB

Warum, das erklärt der Physiker und Fußballfan mit einem Phänomen, das er „Regression zur Mitte“ nennt. Konkret bedeutet das, dass sich Glück und Pech irgendwann ausgleichen. Dieser Faktor findet nach Meinung des Wissenschaftlers in der Betrachtung sportlicher Leistungen zu wenig Beachtung. Dabei speise sich Erfolg und Misserfolg meist nicht aus (fehlender) sportlicher Qualität allein, sondern genauso aus den berühmten fünf Zentimetern, die der Ball entweder ins Tor oder eben an den Pfosten kullert. Weil man nicht immer nur Pech haben kann, läuft es für Teams mit anfänglichen Misserfolgen irgendwann automatisch besser, hat Heuer herausgefunden. Sein Fazit: „Bessere Ergebnisse stellen sich ohne Trainerwechsel genauso ein.“ Weil im Fußball nichts so beständig ist wie der Rauswurf erfolgloser Trainer, habe seine vor sieben Jahren veröffentlichte Studie nichts an Aktualität eingebüßt, meint Heuer.

Übertragen auf den VfB hieße das, dass die Mannschaft auch unter Tayfun Korkut aktuell kaum schlechter dastehen dürfte. Und für Markus Weinzierl? Inwiefern macht der missratene Start Hoffnung, dass sich das Blatt noch wendet?

Florian Kohfeldt (zwei Niederlagen aus den ersten drei Spielen mit Bremen) oder Markus Gisdol (ein Punkt aus den ersten fünf Spielen als HSV-Coach) sind Beispiele dafür, dass Anlaufprobleme durchaus in eine längere Erfolgsstrecke münden können. Auch in Stuttgart waren die neuen Besen nicht immer gleich eine Erfolgsgeschichte: Bruno Labbadia kassierte 2010 zum Start zwei deftige Pleiten gegen Bayern München (Bundesliga und Pokal). Dennoch ist er der am längsten amtierende VfB-Coach in diesem Jahrzehnt.