Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) über die Arbeit des Krisenstabs und die aktuelle Lage in Leonberg.

Leonberg - Dass Schulen, Kitas, Restaurants und viele Geschäfte geschlossen wurden, hat das Land entschieden. Die Umsetzung und Kontrolle liegt aber bei den Kommunen. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet der Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) über die Arbeit des städtischen Krisenstabes und andere Aktionen, um durch die Krise zu kommen.

 

Herr Oberbürgermeister, wie geht es Ihnen?

Gut. Vielen Dank der Nachfrage.

Wann hatten Sie das erste Mal den Eindruck, dass es sich bei Corona um eine Krise größeren Ausmaßes handelt?

Als die ersten Regionen in Europa – vor allem in Italien – vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiete eingestuft wurden. In Verbindung mit der Empfehlung, dass Rückkehrer wie etwa Urlauber sich in 14-tägige Quarantäne begeben sollten.

Sie haben im Rathaus einen dauerhaften Krisenstab einberufen. Nach welchen Kriterien ist dieser zusammengesetzt? Wie oft tagt das Gremium?

Dem Stab, der mit Blick auf die Handlungsfähigkeit effizient strukturiert ist, gehören der Erste Bürgermeister und der Bürgermeister, mein persönlicher Referent, die Leitungen des Ordnungsamtes, des Amtes für Jugend, Familie und Schule, des Hauptamtes und des Gebäudemanagements an. Zudem sitzen in dem Gremium der Abteilungsleiter der Informations- und Kommunikationstechnik, der Kommandant der Feuerwehr und der Pressesprecher. Je nach Lage wird der Stab erweitert. Aktuell tagen wir montags und donnerstags.

Eine der ersten Aufgaben des Krisenstabs war die Organisation der Schließung von Schulen und Kitas. War das gleich die schwerste Aufgabe?

Mit den Kitas und Schulen hat die Stilllegung des gesellschaftlichen Lebens begonnen. Die vergangenen Wochen waren für alle Betroffenen und auch für uns eine große Herausforderung. Gleich zu Beginn diese Maßnahmen zu veranlassen, war sicherlich eine der schwersten Aufgaben. Im Stab versuchen wir stets, unter Berücksichtigung der Entwicklungen und Regelungen auf Bundes-, Landes- und Landkreisebene, die für Leonberg besten Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen festzulegen. Dabei sind wir aufgrund der Landesverordnung in unseren Entscheidungen gebunden.

Die Anweisungen, was zu tun und zu lassen ist, kommen – wie Sie schon gesagt haben– oft vom Land. Haben Sie Verständnis für diese Maßnahmen?

Die Maßnahmen sind mit Blick auf die Kapazitäten im Gesundheitswesen nötig. Daher haben wir bereits frühzeitig, bevor das Land die Verordnung erlassen hat, einschneidende Entscheidungen für das gesellschaftliche Leben getroffen – etwa die Sportlerehrung zu verschieben oder die Kinder- und Jugendtage abzusagen.

Wie haben die Eltern auf die Schließung von Schulen und Kitas reagiert? Und was haben die Lehrer und Erzieher gesagt?

Ich habe großen Respekt vor allen Eltern, die momentan in den eigenen vier Wänden Beruf und Familie organisieren müssen. An dieser Stelle nutze ich die Gelegenheit, den Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern für das große Verständnis für die einschränkenden Maßnahmen sehr herzlich zu danken.

Wie schwierig ist es, den Notdienst zu organisieren?

Hierfür braucht es sehr viel Fingerspitzengefühl. Wir müssen genau schauen, welche Erzieherinnen und Erzieher wir in den städtischen Kitas einsetzen. Sehr viele haben sich dankenswerterweise freiwillig gemeldet. Wir vermeiden den Einsatz von Risikogruppen wie etwa älteren Mitarbeiter oder Beschäftigten mit einer Vorerkrankung. Zudem organisieren wir den Arbeitsalltag beispielsweise so, dass die jeweiligen Betreuungsteams zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten. Diese neue und schwierige Situation ist mit vielen Fragen und einem hohen Abstimmungsbedarf für alle Beteiligten verbunden, was sehr gut funktioniert. Für die hohe Motivation und Einsatzbereitschaft der Notbetreuungsteams sind wir – und da spreche ich ebenso im Namen der Kolleginnen und Kollegen vom Amt für Jugend, Familie und Schule – sehr dankbar.

Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt, gerade mit Blick auf das Leonberger Krankenhaus?

Das Leonberger Krankenhaus spielt bei der Bewältigung der Krise eine wichtige Rolle – das Arbeitspensum der Beschäftigten ist aktuell immens. Ich bin froh, dass der Klinikverbund inzwischen eine ausgewogene Versorgung mit Blick auf alle Krankenhäuser des Kreises anstrebt, was zunächst nicht geplant war. Mit dem Landratsamt sind wir im engen Austausch. Persönlich habe ich zum Landrat einen kurzen, direkten Draht. Wir kommunizieren auch samstags und sonntags miteinander. Zudem gibt es regelmäßig Telefonkonferenzen mit den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern im Kreis Böblingen. Vorschläge zur Vorgehensweise werden dort erörtert. Auch darüber, ob landkreisweit der Krisenfall ausgerufen werden soll, wurde bereits gesprochen.

Der härteste Einschnitt ist das Lahmlegen des öffentlichen Lebens. Hatten Sie befürchtet, es könnte zu Unruhen kommen?

Diesen Gedanken habe ich nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Denn Leonberg hält wie immer solidarisch zusammen – das zeichnet unsere Stadt aus.

Den Handel und die Gastronomie trifft es besonders hart. Jetzt gibt es die Initiative „Leonberg bringt‘s“, die von der Stadt aktiv unterstützt wird. Sie haben gesagt, dass die Kooperation langfristig angelegt ist. Wie soll das aussehen?

Auch nach der Corona-Krise wollen wir die neu geschaffene Initiative nutzen, um die lokale Wirtschaft zu präsentieren. Ziel ist ein gemeinschaftlicher Auftritt – unterstützt von den Verbänden „BdS Leonberg“ und „Leonberger Business Network“ sowie den Werbegemeinschaften in unserer Stadt. Je mehr Unternehmen sich präsentieren, umso effektiver können wir das Projekt weiterentwickeln. Ich bin mir sicher, dass hieraus etwas sehr Positives für Leonberg entstehen kann – vor allem mit Blick auf die Unterstützung lokaler Unternehmen.

Neben dem öffentlichen Leben ruht auch die Kommunalpolitik. Dabei waren vor der Krise wesentliche Weichen gestellt worden, etwa für das Postareal. Wie lange wirft Corona die Stadtentwicklung zurück?

Wichtige Beschlüsse etwa zum Postareal oder zur Kreissparkasse haben wir bereits Anfang März gefasst. Dennoch ist – auch in Bezug auf die Entwicklung des Jahn-Geländes oder des Leobades – mit leichten Verzögerungen zu rechnen. Die projektplanenden und bauausführenden Firmen sind schließlich ebenso einschneidend von der aktuellen Situation betroffen. Dennoch setzen wir alles uns Mögliche in Bewegung, um diese wichtigen Projekte weiter voranzutreiben. Über den Bebauungsplan für die Entwicklung der Firma Bosch an der Römerstraße soll in der kommenden Sitzungsrunde entschieden werden.

Das heißt, Sie möchten die kommende Sitzung des Gemeinderats stattfinden lassen? Schließlich haben nicht alle Kommunen haben ihre Entscheidungsgremien komplett auf Eis gelegt. Müsste der Gemeinderat nicht wenigstens ohne Öffentlichkeit zusammenkommen?

Wir werden am Montag unter Berücksichtigung aller Vorschriften im Ältestenrat die Vorschläge der Verwaltung besprechen, in welcher Form die nächste Sitzung stattfindet. Es ist geplant, für die Sitzung in die Stadthalle auszuweichen. Dass Gremien tagen dürfen, hat das Innenministerium des Landes ausdrücklich festgelegt.

Zu welchem Zeitpunkt wird aus Ihrer Sicht der völlige Stillstand problematisch?

Ich halte die jetzige Situation bereits für sehr problematisch – für die Unternehmen und vor allem für Kleinbetriebe und Einzelunternehmer. Kurzarbeit, Mindereinnahmen durch Schließung und Produktionsausfall wird unsere Wirtschaft nicht so leicht verkraften. Die Soforthilfen von Bund und Land sind zwar zu begrüßen, werden dies jedoch nicht ausgleichen.

Ist die momentane Phase die bisher größte Herausforderung in Ihrem Berufsleben?

In der aktuellen Lage ist es vor allem wichtig, Entscheidungen zu treffen, diese zu erklären und zu kommunizieren. Das ist auch stets in anderen Arbeitssituationen meine Herangehensweise. Nur ist die Dichte und Tragweite der Entscheidungen in den vergangenen Wochen immens hoch gewesen. Wir mussten das gesellschaftliche Leben unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger erheblich einschränken. Ich bin mir meiner großen Verantwortung bewusst. Dabei ist es nicht immer einfach, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Wie schaffen Sie sich einen Ausgleich?

Ich konzentriere mich auf die schönen Dinge, die man auch daheim genießen kann – wie ein gutes Essen.

Haben die aktuellen Erfahrungen Auswirkungen auf die künftige Arbeit im Rathaus?

Ich bin mir sicher, dass die momentane Ausnahmesituation die Beschäftigten der Stadtverwaltung enger zusammenrücken lässt. Zudem werden vor allem die Home-Office-Optionen momentan stark in den Fokus gerückt.

Was werden Sie an Silvester zum Altjahrabend thematisieren?

Das Jahr ist aktuell noch zu jung. Die momentane Ausnahmesituation und vor allem wie sich die Lage während der kommenden Monate entwickelt, werden sicherlich Themen sein.