Der Londoner Museumsdirektor Martin Roth durchleuchtet im Alten Schloss das Museumswesen. Was er zu sagen hat, dürfte nicht jedem Verantwortlichen gefallen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Einigen Politikern müssten die Ohren geklingelt haben. Denn sie kamen an diesem Abend nicht gut weg. Die Politik war es, die Martin Roth das Leben so schwer machte, dass der erfolgreiche Museumsmann das Handtuch warf. Er kündigte seinen Posten als Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und folgte einem Ruf nach London. Seit 2011 leitet er dort das Victoria and Albert Museum – und ist froh, es nicht mehr mit Politikern zu tun zu haben, die durch permanente Kontrolle die Arbeit behinderten und „bis in die kleinsten Kleinigkeiten“ durchgreifen würden. „Wenn einem die Hände gebunden sind, erfolgreich zu arbeiten“, so Roth, „wird es absurd.“

 

Nun hat Martin Roth seiner alten Heimat einen Besuch abgestattet und war in der Reihe „Württemberger Köpfe“ zu Gast im Landesmuseum Württemberg, wo er mit der Direktorin Cornelia Ewigleben und dem Kurator Fritz Fischer über das Museumswesen plauderte, aber auch über Mentalitäten und Dialekt. London hin oder her – Roth, der in Stuttgart geboren wurde und in Tübingen Kulturwissenschaften studiert hat, schwätzt Schwäbisch. Und zwar grottenbreit.

Auch nur für ein Stück Kuchen lohnt der Weg ins Museum

Er ist ein launiger Plauderer, der allerhand Anekdoten erzählen kann, aber wie nebenbei auch die strukturellen Probleme der deutschen Museen benannte. Sie seien abhängig und ständig bemüht, Politiker für ihre Themen zu gewinnen. „Das einzig Gute an Kulturministern ist, dass sie kommen und gehen“. In England hat Roth nun mit einem Aufsichtsrat zu tun, der effizienter sei, zumal darin auch Banker oder Bauexperten säßen und ihn berieten. Diese Posten im Aufsichtsrat seien begehrt, das Engagement der Privatleute groß – auch in finanzieller Art Hinsicht. „Wenn dagegen alles kontrolliert wird, gibt niemand Geld“, so Roth. Und auch wenn mit Museen kein Gewinn zu machen ist, dürfe er als Museumsdirektor wirtschaftlich arbeiten, investieren und anders als in Deutschland auch selbst entscheiden, wer wie den Museumsshop oder das Café betreibt. „Ein Laden wie im Victoria and Albert Museum wäre hier nicht möglich.“

Apropos Café: selbst wenn die Besucher nur auf ein Stück Kuchen in sein Haus kommen, ist das Roth mehr als recht. Museen sollten nicht nur Bildungsinteressen verfolgen, sondern Räume zur Verfügung stellen, an denen man sich wohlfühlen. In das Londoner Museum kommen die Kinder im Sommer zum Baden – im Wasserbecken im Innenhof. Auch Ausstellungen sollten die Besucher erfreuen, meint Roth, der die Schwelle niedrig und das Niveau hoch halten will – wozu auch freier Eintritt gehört. Aber auch intern müssen sich die Museen ändern und unter anderem aktueller werden. Als in Bangladesch eine Textilfabrik einstürzte, habe das V & A sofort reagiert und eine Ausstellung zum Thema Billigjeans initiiert.