Am Sonntag spannt ein extravagantes Kindermädchen ein letztes Mal seinen Regenschirm auf – und fliegt flugs weiter nach Hamburg. Mit „Mary Poppins“ verlässt eines der erfolgreichsten Stuttgarter Musicals das SI-Centrum. Nicht nur Kinderdarstellerin Sarah Tschinkel hätte gern weitergespielt.

Stuttgart - In dieser fantasievollen Disney-Show lassen die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Gedanken fliegen. Nur noch wenige Tage lädt die Bühne des Apollo-Theaters zu einem poesievollen Spaziergang durch ein Bilderbuch ein. An allen Ecken blühen Verrücktheiten. Belehrungen werden spaßig vorgetragen. Der pädagogische Zeigefinger tanzt im „Dumdiddldiddl Dumdiddldei“. Achte auf die kleinen Dinge, lautet eine Botschaft: Erkenne stets den Funken Magie hinter allem und glaube daran, dass sich deine Wünsche erfüllen!

 

Für die zwölfjährige Sarah Tschinkel hat sich ein Wunsch erfüllt, ja, ein großer Traum ist wahr geworden. Die Schülerin der Klasse 7d des Heinrich-Heine-Gymnasiums in Nellingen wird an diesem Freitag zum 30. und zum letzten Mal die Jane spielen. Mit Bruder Michael vergrault die Tochter der Familie Banks ein Kindermädchen nach dem anderen – bis Mary Poppins kommt und jung wie alt die Augen für die wahren Schönheiten des Lebens öffnet.

„Der Glöckner von Notre Dame“ feiert am 18. Februar Premiere

Sarah ist eine von 43 Kinderdarstellern, die seit der Stuttgart-Premiere im Oktober 2016 wesentlich zum Erfolg beitragen. „Ich hätte gerne noch ein paar Shows gespielt“, sagt die Zwölfjährige aus Nellingen.

Obwohl das Theater dank „Mary Poppins“ oft ausverkauft war und die Auslastung mit mehr als 75 Prozent über dem in Stuttgart üblichen Schnitt lag (insgesamt kamen 700 000 Zuschauer), wird die von Anfang an auf 18 Monate festgelegte Spielzeit nicht verlängert.

Das komplette Ensemble wechselt nach Hamburg, womit die Norddeutschen bei einem Musical auch mal nach Stuttgart dran sind – sonst bekommen die Schwaben meist Stücke, die zuvor in der Hansestadt gespielt wurden. Mit immer kürzeren Spielzeiten wollen die Hamburger Muscialmacher das Interesse hochhalten. Keiner soll sagen, in eine Show könne man ja noch später gehen – ehe man sich versieht, ist sie weg. Am Sonntag spannt das Kindermädchen zum letzten Mal seinen Schirm auf - und fliegt flugs weiter nach Hamburg.

Ein weiteres Disney-Musical kommt nach Möhringen: Am Sonntag, 18.  Februar, feiert „Der Glöckner von Notre Dame“ Premiere. „Mit bereits 80 000 für Stuttgart verkaufte Tickets liegt auch das neue Stück deutlich über unseren Verkaufsprognosen“, erklärt Jürgen Marx, der Stage-Chef für den Südwesten.

Sarah spielt im September im Musical „Annie“ im Wizemann

Auf eine Meldung in unserer Zeitung hatte sich Sarah Tschinkel für das Casting bei „Mary Poppins“ beworben. Ihre Eltern hatten sie dazu ermutigt, da sie gern singt und schon kleinere Auftritte hatte. Nach vier Castings bekam die Zwölfjährige die Zusage. Ein monatelanges Intensivtraining begann. Vater Reinert Tschinkel war erstaunt, „was die Trainer in dieser Zeit in Sachen Schauspiel und Gesang aus unserer Tochter herausgeholt haben“.

Bei ihrer ersten Show war Sarah „sehr aufgeregt“, wie sie sich erinnert. Doch schon nach der ersten Szene sei die Nervosität verschwunden. Was ihr am meisten gefallen hat bei den Auftritten? „Dass jede Show anders ist“, antwortet sie. „Es macht total Spaß, auf der Bühne zu stehen und mit Profis zu spielen.“ Der Applaus sei „schon super“. Sarahs Höhepunkt war, als ihre Klasse 7d in die Vorstellung kam. Voll des Lobes ist sie für die Erwachsenendarsteller: „Sie waren supernett und offen zu uns und haben auch manchmal in der Pause mit uns Späße gemacht.“

Besonders freute sich Sarah auf jeden Freitag, wenn sich die Showkinder zum „Cleaning“ trafen, wie es in der Musicalsprache heißt. Die Trainer gehen mit den Jüngsten die Szenen durch und „säubern“, falls sich Fehler eingeschlichen haben. Zur Dernière am Sonntag sind alle Kinderdarsteller eingeladen.

Einige von ihnen, darunter Sarah, bereiten sich für ihre nächste Rolle vor: Im September singen sie im Musical „Annie“ im Wizemann in Bad Cannstatt . Und sechs Mädchen aus „Mary Poppins“ haben ein Engagement in der Komödie im Marquardt bekommen, wo sie in „Honig im Kopf“ die Enkelin des demenzkranken Großvaters spielen.