In Geschäft hat man selten so viel Platz um sich herum wie man es im Museum hat. Trotzdem will das Land an der Mundschutzpflicht festhalten.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es gibt Schlimmeres, lästig ist es trotzdem: Wenn man in diesen sommerlichen Tagen in der Staatsgalerie die Treppe vom Altbau hinauf schnauft, wird es unter dem Mundschutz schnell sehr warm. Es gibt Menschen, die derzeit nicht ins Museum gehen, weil sie den Mundschutz nicht nur unnötig, sondern auch „töricht“ finden, wie etwa ein Leser dieser Zeitung. In einem Brief an die Redaktion hat der Mediziner seinem Unmut Luft gemacht. Er habe wenig Mitleid mit den „sonst klugen Museums- und Ausstellungsmachern“, wenn das Publikum ausbleibe. „Ich werde keine Ausstellung oder ein Museum mit Maske besuchen. Wenn der letzte Besucher dann vertrieben ist, hat man das dann vielleicht verstanden.“

 

Es hilft nichts: Für die Mitarbeiter wie auch die Besucherinnen und Besucher der Museen in Baden-Württemberg ist es Pflicht, einen Mundschutz zu tragen. Dabei gibt es kaum einen Ort, an dem man so unbehelligt von Mitmenschen ist wie im Museum. Geht man in diesen Tagen in die Sammlungen, ist die Kunst quasi für einen allein da. In der Staatsgalerie Stuttgart haben die Besucher immerhin mehr als 10 000 Quadratmeter zur Verfügung. Im Kunstmuseum Stuttgart hat man bisher pro Besucher 15 Quadratmeter einkalkuliert. Rechnung hin oder her, im Supermarkt geht es oft deutlich enger zu. Und in Sportstudios schwitzen und schnaufen längst wieder größere Gruppen gemeinsam beim Fitness-Training in einem Saal.

Das Publikum ist nicht begeistert

Die Museen kennen die Nöte mit dem Mundschutz zu gut. „Ein Ausstellungsbesuch mit Maske fühlt sich anders an als ohne“, hat Otto-Hörbrand vom Linden-Museum schon vor einigen Wochen gesagt und festgestellt, dass durch die Maske deutlich weniger Gespräche in den Ausstellungen stattfinden würden als gewohnt. Auch im Kunstmuseum Stuttgart kennt man die Klagen von Besuchern, die sich mit dem Mundschutz schwer tun. Vor allem ist es für das Personal eine Herausforderung, ihn über Stunden tragen zu müssen. Wäre es da nicht an der Zeit, über eine Lockerung nachzudenken? Nein, sagt die Staatssekretärin Petra Olschowski. Es gehe nicht allein darum, die Besucher zu schützen, sondern auch die Beschäftigten. „Die sind den Bewegungen im Raum länger ausgesetzt als das Publikum“, so Olschowski. Bei den Regeln für die Museen orientiere man sich an den Vorgaben für den Einzelhandel.

In Hamburg setzt man auf die Vernunft der Besucher

Damit steht Baden-Württemberg keineswegs allein da. In den meisten Museen in Deutschland herrscht nach wie vor Maskenpflicht – ob es in der Berlinischen Galerie ist oder der Schirn in Frankfurt. In der Kunsthalle Hamburg setzt man dagegen auf die Vernunft der Einzelnen. Der Mundschutz muss nur angezogen werden, wenn der Abstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann. „Das Tragen von Masken wurde vom Senat nicht als verpflichtend vorgegeben“, sagt die Pressesprecherin Mira Forte, „bisher läuft dieses Verfahren gut.“

Die Kunsthalle Hamburg hat weniger Publikum – ungefähr 20 Prozent weniger Besucher als üblich. Die Stuttgarter Museen haben dagegen Einbußen von fünfzig bis sechzig Prozent. Das hat aus Sicht von Petra Olschowski aber nichts mit dem Mundschutz zu tun. „Dem ein oder anderen ist die Maskenpflicht unangenehm, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Mehrheit ist.“ Viele Menschen seien derzeit noch vorsichtig. Vor allem aber fehlten die Schulklassen, die an sich die Häuser bevölkern. „Man kann sicherlich zu einem bestimmten Zeitpunkt über den Mundschutz nachdenken“, sagt Olschowski, „wir überprüfen alle Regelungen immer wieder und fragen, ob sie noch sinnvoll sind. Aber jetzt würde ich das für zu früh halten.“ Bevor man die Museen wegen ansteigender Infektionen womöglich wieder komplett schließen müsse, sei der Mundschutz eine Maßnahme, die deutlich weniger einschränke.

Die Stuttgarter Museen halten Regelung für sinnvoll

Inwieweit der Mundschutz medizinisch sinnvoll ist, könnten sie nicht beurteilen, sagt Helga Huskamp, die Sprecherin der Staatsgalerie, „wir sind ja weder Virologen noch Mediziner.“ Aber es gebe durchaus Situationen in der Staatsgalerie, in der es ihr durchaus sinnvoll erscheine, Mundschutz zu tragen, „weil viele Besucher sich in einem geschlossenen Raum länger gemeinsam aufhalten – wie in unseren Sonderausstellungen.“

Auch im Stuttgarter Lindenmuseum hat man sich damit arrangiert, dass die Regeln strenger sind als an anderen Orten der Stadt. „Natürlich würde ein Verzicht auf den Mundschutz den Museumsbesuch angenehmer machen und vermutlich auch mehr Besucherinnen und Besucher ins Museum locken“, sagt Martin Otto-Hörband. „Wir vertrauen hier allerdings der Einschätzung von Experten und Expertinnen und möchten deshalb keine Lockerung fordern.“