Max Herre bringt am Freitag ein neues Album heraus, auf dem er auch Songs aus seinen Zeiten als Rapper bei Freundeskreis präsentiert. Grund genug zu fragen, was eigentlich die vielen anderen Helden des Stuttgarter Hip Hop heute so machen.

Stuttgart - Er lebt zwar schon seit Jahren nicht mehr in der baden-württembergischen Landeshauptstadt, dennoch ist er immer noch einer ihrer Lieblingssöhne: Max Herre. Der nach Berlin emigrierte Stuttgarter bringt am Freitag ein neues Album heraus. „MTV Unplugged Kahedi Radio Show“ knüpft an die legendären MTV-Konzerte an. Darauf stimmt Max Herre auch Songs wie „A-N-N-A“ aus seiner Zeit als Rapper der Stuttgarter Formation Freundeskreis an. Da kommen Erinnerungen an die gute alte Zeit der Kolchose auf! Anlass genug, um zu fragen, was eigentlich aus den vielen anderen MCs und DJs geworden ist, die Stuttgart einst hervorgebracht hat.

 

Max Herre - A-N-N-A (MTV-Unplugged) from Nesola on Vimeo.

Es ist schon ein bisschen länger her, dass die Landeshauptstadt einen wichtigen Ort auf der musikalischen Landkarte markierte. Damals, in den 1990ern und Anfang des 21. Jahrhunderts, war Stuttgart neben Hamburg eines der Zentren des deutschen Hip Hop. Die Fantastischen Vier, Freundeskreis, Massive Töne und weitere Stuttgarter waren lange Zeit stilprägend.

Einige von ihnen machen immer noch Musik, und das ziemlich erfolgreich. Neben Max Herre und Joy Denalane sind das die Fantas, im Herbst nächstes Jahr erscheint ein neues Album. Thomas D., Smudo, Michi Beck und And.Ypsilon gehen 2014, zum 25-jährigen Bandjubiläum, auf Tour. Das muss natürlich auch in ihrer Heimat gefeiert werden. Am 19. Dezember 2014 stehen sie in der Schleyerhalle auf der Bühne. Michi Beck legt auch weiterhin mit Thomilla als Turntablerocker auf, das nächste Mal am 25. Dezember im Rocker 33 in Stuttgart.

Die Massiven Töne gibt es noch

Auch die Bandmitglieder der Massiven Töne sind allesamt der Musik treu geblieben. DJ 5ter Ton lebt noch in Stuttgart und ist als DJ tätig, seine Bandbreite reicht von Hip Hop bis Electro. Schowi legt zusammen mit DJ Passion unter dem Namen Bass Ill Euro als Resident in verschiedenen Clubs auf, beispielsweise im Berliner Cookies. Hip Hop 2.0 nennen die beiden DJs ihren Sound, dabei handelt es sich um eine Mischung aus Booty Bass, Rave, House und südamerikanischen Klängen.

Auch der Dritte im Bunde der Massiven Töne, Ju, ist nicht aus dem Musikgeschäft ausgestiegen. Er hat zwar zwischenzeitlich an der Hochschule der Medien Medienwirtschaft studiert und arbeitet nun als Texter in einer Stuttgarter Werbeagentur. Doch die Massiven gibt es nach wie vor, aufgelöst hat sich die Band nie. Mit DJ 5ter Ton und Schowi tritt Ju als Soundsystem Massive Disco auf und performt alte und neue Songs.

Außer zu seinen Bandkollegen pflegt Ju vor allem Kontakte zu den Kolchose-DJs Friction und Emilio, die noch in Stuttgart leben. Max Herre oder Afrob treffe er sporadisch in Berlin oder Stuttgart. „Es ist nicht mehr wie früher“, gibt er zu. Doch sei das Kopfnicker-Studio in den vergangenen zwei Jahren Anlaufstelle für viele alte Hasen und Künstler der jüngeren Generation gewesen. Allerdings suchen die Massiven Töne derzeit nach einer neuen Studio-Location.

Anders als Schowi ist Ju immer noch primär MC, auch bei seinem Soloprojekt Mister Santos, das er seit drei Jahren betreibt. „DJing hat mich nie richtig gepackt, ich steh lieber am Mic“, sagt der 39-Jährige. Mister Santos beschreibt er als „kein klassisches Rap-Ding“, vielmehr lasse er sich von vielen Musikrichtungen beeinflussen – Rap natürlich, aber auch elektronische Musik, Funk oder Bossa Nova fließen mit ein. Noch steht kein konkreter Zeitpunkt fest, aber Ju will 2014 auf jeden Fall wieder etwas veröffentlichen. Man darf also gespannt sein.

Bald ein neuer Track von Afrob?

Ebenfalls gespannt sein darf man, ob es 2014 auch von Afrob etwas Neues gibt. Der Rapper, der mittlerweile wie viele andere Stuttgarter in Berlin lebt, hat kürzlich ein Youtube-Video veröffentlicht, das ihn mit DJ Rocky im Studio zeigt. Was es genau damit auf sich hat, ist unklar.

Afrob hat in den vergangenen Jahren immer wieder für Irritationen gesorgt: als er beispielsweise 2008 zusammen mit der Rapperin Brixx den Titelsong für die RTL-Serie „Alarm für Cobra 11“ produzierte oder im Bundestagswahlkampf 2013 als Unterstützer von Angela Merkel in Erscheinung trat.

Kolchose-DJ Emilio ist die Konstante in Stuttgart

Seit einem Vierteljahrhundert im Hip-Hop-Business ist DJ Emilio. Zusammen mit den Rappern Großmaul und Coma gründete er 1993 „Die Krähen“, eine der ersten Stuttgarter Hip-Hop-Bands, die sich jedoch drei Jahre später wieder auflöste. Heute gehört der 42-Jährige wohl zu den meistgebuchten DJs in Stuttgart und der Region, am Freitag kann man ihn im People Club hören, am Samstag im Stereo. Als Teil der Kolchose hat DJ Emilio immer noch losen Kontakt unter anderem zu Max Herre, Afrob und Wasi, der bis 2000 MC bei den Massiven Tönen war.

„Das 20-jährige Kolchose-Jubiläum beim Hip Hop Open 2012 war wie ein Familientreffen“, sagt DJ Emilio. Die meisten aus den guten alten Kolchose-Zeiten treffe er allerdings nur noch selten. Intensiver sei der Austausch mit den in Stuttgart lebenden DJs 5ter Ton (Massive Töne) und Friction (Freundeskreis).

Dennoch: „Ich steh auf jeden Fall zu dem alten Sound“, sagt DJ Emilio. Warum Stuttgart in den 2000er-Jahren seinen Status als Hip-Hop-Hochburg verloren hat, kann auch er nicht eindeutig beantworten. „Irgendwann wurde Gangsta-Rap salonfähig und hat sich auf den Schulhöfen etabliert. Dabei ging es nicht mehr um die Hip-Hop-Subkultur“, erklärt er. Dennoch ist er zuversichtlich, was die Zukunft des Stuttgarter Hip Hop angeht. „Die Orsons haben mich überzeugt, als ich sie live gesehen hab“, sagt er. Doch den Jungen das Feld zu räumen, kommt für DJ Emilio nicht in Frage – er will im kommenden Jahr auch selbst wieder Musik produzieren.

Neues von den Fantastischen Vier, von Ju aka Mister Santos, DJ Emilio und vielleicht von Afrob – 2014 wird für die Szene ein spannendes Jahr. Stuttgart ist eben doch irgendwie Hip-Hop-Hochburg geblieben.