Wie schlecht es um die heimischen Streuobstwiesen steht, ist bekannt. Die Stadt Filderstadt stemmt sich mit vielen Projekten gegen den traurigen Trend. Allerdings stößt sie immer wieder an ihre Grenzen. Über alte Probleme und neue Lösungen.

Filderstadt - Filderstadt liegt herrlich im Grünen. Eingebettet ist die Kommune in die Kulturlandschaft der Streuobstwiesen. Das ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Jedoch ist die Idylle bedroht. Diese Erkenntnis ist nicht neu, wurde den Mitgliedern des Technischen Ausschusses in ihrer jüngsten Sitzung aber nochmals eindringlich vor Augen geführt.

 

In einem Bericht zeigte die Umweltschutzreferentin Claudia Arold auf, dass die Stadt sich seit Jahrzehnten intensiv um die Streuobstflächen bemüht. Über Aufpreisinitiativen bekommen Stücklebesitzer mehr Geld fürs Obst, durch die gelben Bänder wird intensiver abgeerntet. Es gibt Schnittkurse, die Hochstammförderung, den Museumsobstgarten, thematische Wander- und Radwege oder Obstwiesenguides, zudem haben Freiwillige die flächendeckende Sortenkartierung von rund 24 000 Bäumen übernommen. „Nichtsdestotrotz haben wir gemerkt, dass alle Ansatzpunkte nicht so weit zu greifen scheinen, dass wir uns zurücklehnen können“, betonte sie. Im Gegenteil. Durch mangelnde Pflege und den starken Mistelbefall verkommen die Areale und gehen verloren.

Das ist das Hauptproblem für die Streuobstwiesen

Hauptproblem: Viele Grundstücke sind in Privathand, die Stadt hat also keinen Zugriff. Im Rathaus hat man sich daher nun zwei Ansätze überlegt, wie man die wertvollen Gebiete als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als Naherholungsraum langfristig erhalten kann. Einer könnte die Aufwertung der Streuobstwiesen als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme sein. Die Hürden dafür lägen bislang durch unpraktikable Voraussetzungen und eine relativ geringe Bewertung mit Ökopunkten allerdings hoch.

Mehr verspricht sich Claudia Arold vom „Pilotprojekt Streuobstwiesenmanagement“. Die Idee: Die Besitzer überlassen Baumschnitt, Grünlandpflege und Obstverwertung einfach dem Umweltschutzreferat gemeinsam mit dem Netzwerk Streuobstwiesen. Die Pflege soll mit Fachfirmen und Landwirten abgewickelt werden, auch die Obstretter des Elisabeth-Selbert-Gymnasiums und die Obstbörse sollen ins Boot genommen werden. Claudia Arold schweben etwa Beweidungen, die energetische Schnittgutverwertung, die professionelle Vermarktungen von Heu, Früchten und Obstprodukten und sogar Sport auf den Wiesen vor.

Woher der Unmut der Wiesenbesitzer kommt

Gespräche mit Wiesenbesitzern wurden bereits geführt. Darin hat die Stadtverwaltung auch ausgelotet, warum mancher bislang wenig Energie in die Pflege der Flächen gesteckt hat. „Trotz einer positiven Prägung schwingt Unmut mit. Die Leute haben das Gefühl, dass sie mehr Pflichten als Nutzen haben“, berichtete Claudia Arold. So dürfen Streuobstwiesen nicht wie normale Gärten für Freizeitaktivitäten genutzt werden, außerdem ist der Arbeitsaufwand hoch. Manchen Besitzern fehlt auch schlichtweg das Wissen, wie Wiesen und Bäume richtig zu beackern sind.

Das Pilotprojekt soll im nächsten Jahr beginnen, zunächst zwei Jahre in einem zusammenhängenden Gebiet laufen und für die Teilnehmenden kostenlos sein. In dieser Zeit sollen Erfahrungen in puncto Kosten, Aufwand und Abwicklung gesammelt werden. Für den Haushalt 2022/23 wurden bereits Mittel in Höhe von jeweils 25 000 Euro angemeldet.

Auf kurz oder lang will die Stadt für die angebotenen Leistungen aber ein Entgelt erheben, entsprechend einer Beförsterung von Privatwald. „Wir können uns sehr gut vorstellen, dass wir einen Nerv treffen“, sagte Claudia Arold, und auch die Ausschussmitglieder fanden die Idee gut. Tenor: Man müsse es schaffen, die Privatbesitzer zu erreichen, vor allem, um dem Mistelbefall Einhalt zu gebieten. „Da sind viele überfordert“, sagte etwa Richard Briem (Freie Wähler) und regte an, dass sich die Kommune um eine Bezuschussung von Gartengeräten bemühen sollte, wie es manche Kommunen im Kreis schon tun.