Die Regierung versucht, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in Stuttgart mit der Euro-Norm 5 abzuwehren. Grüne und CDU haben sich nun auf ein Maßnahmenpaket geeinigt.

Stuttgart - Der Koalitionsausschuss hat am Dienstag sechs Punkte zur Luftreinhaltung in Stuttgart verabschiedet. Mit ihnen soll eine Minderung der Stickstoffdioxidbelastung erreicht und das von 2020 an vorgesehene Fahrverbot für Euro-5-Diesel abgewendet werden.

 

Neu ist die Festlegung von Grünen und CDU auf die Erreichbarkeit der P+R-Anlagen. Bereits seit dem 1. Januar vom Fahrverbot betroffene Diesel unterhalb von Euro 5 sollen Parkhäuser außerhalb des Talkessels (er umfasst die Stadtbezirke Mitte, Nord, Süd, Ost und West) anfahren können. Das von Winfried Hermann (Grüne) geführte Verkehrsministerium hat neun Tage Zeit, um eine Liste und eine „niederschwellige Umsetzungskonzeption“ vorzulegen. Zuvor ging es nur um die Erreichbarkeit von drei P+R-Anlagen am Stadtrand in Weilimdorf, Vaihingen und Degerloch. Als Freifahrtschein dorthin war für Dieselnutzer ein VVS-Abo im Gespräch.

CDU erreicht noch mehr Messstellen

Außerdem hat sich die Koalition auf eine deutlich höhere Zahl an Messstellen geeinigt als bisher berichtet. Zu den bestehenden 14 kommen in Stuttgart nicht nur die vom Verkehrsministerium vorgeschlagenen, bereits exakt verorteten 16 überwiegend in der City, sondern mindestens weitere 22 in allen Stadtbezirken. Die Zahl war dem Vernehmen nach vom Staatsministerium aufgestockt worden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kam so der ultimativen Forderung seines Stellvertreters Thomas Strobl (CDU) entgegen. Der hatte die Marke von 50 gesetzt. Mehr Messungen sollen geringere Werte erbringen. An den Hotspots mit starker Überschreitung des EU-Grenzwertes von 40 Mikrogramm im Jahresmittel (Am Neckartor: 71) sollen die Spitzenwerte als Ausreißer und damit als nicht mehr repräsentativ gestrichten werden können.

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Zur Messstellenfrage sagte Strobl: „Wir legen Wert darauf, dass in allen Stadtbezirken mindestens eine Messstelle installiert wird.“ Es sei wichtig, dort zu messen, wo die Menschen sich aufhalten, er wolle ein Lagebild für ganz Stuttgart erhalten. Kretschmann sagte, zusätzliche Messstellen bedeuteten auch zusätzliche Kosten. Nach der Einigung sehen Grüne und CDU ihren Koalitionsstreit beigelegt. Kretschmann sagte, mit den Maßnahmen werde auch die Atmosphäre im Bündnis wieder besser: „Das Koalitionsklima war hoch belastet, mich jedenfalls hat’s gestresst.“ Strobl pflichtete ihm bei: „Wir hatten etwas dicke Luft in den vergangenen Tagen in der Koalition. Aber jetzt ist sie rein und klar.“

Koalitionsfrieden bleibt brüchig

Der Kitt scheint allerdings brüchig zu sein. Um die Lage der Messstellen endgültig zu bestimmen, sollen dem Vernehmen nach die Ministerialdirektoren von Wirtschafts-, Verkehrs- und Innenministerium, ein Vertreter des Staatsministeriums und der Landesanstalt für Umwelt und Messungen alle mindestens 38 neuen Standorte begehen – damit später keiner sagen kann, dass er das Messgerät doch anders platziert hätte. „Die Scharmützel sollen enden“, heißt es aus der Grünen-Fraktion. Man könne das Vorgehen als „Teambuilding-Maßnahme“ sehen.

Kritik am den Maßnahmen

CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart kritisierte, bei der Umsetzung sei Zeit verplempert worden, während Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz meinte: „Manche Dinge dauern eben etwas.“ Wer weitere Messstellen einrichte, müsse auch die Geräte dafür beschaffen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz wertete die Einigung der Koalition als „Herumdoktern an Symptomen statt Bekämpfung der Ursachen“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann kündigte dagegen an drei Samstagen weitere Demonstrationen gegen das Euro-4-Fahrverbot an. Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) erneuerte Zweifel der Stadt an der Wirksamkeit einer weiteren Busspur. Man befürchte Staus, aber das Land sei die Instanz, die das festschreibe. In der Bewertung der Busspur zeigt sich die SPD im Gemeinderat mit dem OB einig. Ein eigener Streifen auf Kosten einer Autospur werde kontraproduktiv wirken, sagt Fraktionschef Martin Körner. Ihn durchzusetzen sei ein Affront der Landesregierung gegenüber der Landeshauptstadt.