Wein ist schon längst mehr als ein Nahrungsmittel, Wein ist fast schon eine Wissenschaft für sich. Für Helga Schroeder in jedem Fall, sie hat die edlen Tropfen quasi studiert – und ist als Erste im deutschsprachigen Raum als Master-Sommelière ausgezeichnet worden.

Stuttgart - Helga Schroeder sitzt in der Weinhandlung an der Böheimstraße und versucht, die Probleme beim Verkosten eines Weines zu beschreiben. Das ist ihr Job. „Und es nervt“, sagt die Frau mit den blonden kurzen Haaren, „wenn der Wein nicht zu einem spricht.“ Es nervte so, dass sie derart intensiv trainiert hat, bis sie die Sprache fast jeden Weins verstanden hat. Was ihr Titel belegt. Helga Schroeder ist die erste weibliche Master Sommelière in Deutschland, Kapazitäten wie Frank Kämmer (Waiblingen) oder Sommelier-Weltmeister Hendrik Thoma tragen diesen Titel, weltweit haben keine 300 Menschen die Prüfungen bestanden.

 

Bernd Kreis, das Stuttgarter Leitmedium in Sachen Wein auf zwei Beinen, bei dem Helga Schroeder arbeitet, schätzt die Leistung trotz eigener Erfolge ziemlich hoch ein: „Das ist die wohl umfassendste und schwierigste Ausbildung im Sommelier-Bereich weltweit.“ Die Durchfall-Rate sei hier gigantisch, „ich glaube, über 90 Prozent“. Helga Schroeder kennt die genauen Zahlen: Es ist eine Erfolgsquote von vier Prozent.

Wer die Welt sehen will, ist in der Hotelbranche richtig

Diese Tatsache lässt erahnen: hier beschäftigt sich jemand mit dem Rebensaft auf eine ganz spezielle Art, ohne, dass das im Leben von Anfang an eine Berufung gewesen wäre. Helga Schroeder ist keineswegs auf einem Weingut aufgewachsen, sie machte ganz normal ihr Abitur, war vor allem sprachbegabt. Und was macht ein junger Mensch nach dem Abitur? Er will die Welt sehen, zumal wenn Sprachen seine Passion sind. Helga Schroeder wollte direkt nach der Schule also nicht studieren, sondern die Welt bereisen. Dies ist ihr gelungen, mit einem einfachen Trick: Sie ist in der Hotelbranche eingestiegen, hier kommt man rum.

Der Übergangsjob war dann am Ende aber keiner mehr, nach einiger Zeit unterwegs fehlte schlicht der Glaube, dass man noch einmal im Hörsaal das nötige Sitzfleisch hat. Also blieb Helga Schroeder in der Branche und machte sich einen Namen im Service. Allerdings recht schnell mit Ambitionen: „Als Tellertaxi habe ich mich irgendwie nicht gesehen.“

Um die Jahrtausendwende bastelte die junge Frau folglich an ihrer Sommelier-Ausbildung, erfolgreich natürlich. Diverse Stationen brachten ihr entsprechende Erfahrung: In der Weinhandlung Bronner arbeitete sie, im Sternelokal von Benjamin Breitenbach in Heslach, bei Obi Oberkamm im Augustenstüble, im Casino und auch bei Christian Jürgens im Drei-Sterne-Lokal Überfahrt in Bayern. Bei all dieser Arbeit reifte allerdings die Überzeugung: So geht’s nicht mehr ewig weiter. „Mir wurde das alles zu bequem, ich dachte mir, ich muss unbedingt wieder meinen Kopf anstrengen.“

Weingesetze, Klima, Geologie: Alles muss man kennen

Also hat sie sich in London eingeschrieben beim Court of Master Sommeliers. Insgesamt sieben Jahre dauerte die Ausbildung in vier Stufen, wobei die ersten drei noch recht einfach zu überspringen sind. Beim finalen Hindernis liegt die Latte allerdings verdammt hoch. Da muss man einfach alles wissen. Über Wein selbstverständlich, aber auch über Bier, Kaffee oder Cocktails. Aber beim Wein ziemlich vertieft. Der Master Sommelier muss zum Beispiel die Weingesetze in den verschiedenen Ländern kennen, die erlaubten Höchstertragsmengen, die jeweilige Geologie, das Klima und die Geografie. Hier kam ihr ihre Vorliebe natürlich zu gute, das Reisen. „Es hilft, wenn man reist“, sagt die 45-Jährige, mit der Landkarte in der Hand lassen sich solche Gebiete gleich viel einfacher studieren. Mit erfreulichen Nebenwirkungen. „Überall auf der Welt findet man kulturell spannende Dinge“, sagt Helga Schroeder, „Wein verbindet einfach und ist unerschöpflich.“

Nun beginnt die Eigenvermarktung der Master-Sommelière

Letzten Endes schaffte sie alle Prüfungen, bei der sensorischen dauerte es am längsten. Hier müssen die Prüflinge sechs Weine bestimmen, von denen sie keine Ahnung haben, was da nun im Glas ist. „Und das ist schon sehr schwierig. Früher waren die Weine aus der neuen Welt fett und alkoholreich, das ist inzwischen auch anders“, sagt Helga Schroeder. Bei der ersten Prüfung ist sie noch durchgefallen, „aber irgendwann macht es dann halt klick!“

Momentan arbeitet sie auf einer halben Stelle in der Weinhandlung von Bernd Kreis, aber nun fängt die Eigenvermarktung an. So ein Titel bringt riesige Möglichkeiten. „Aber ich habe keinen Druck“, sagt die 45-Jährige, „ich entscheide, was mir gefällt. Das Leben soll interessant bleiben.“

Weinmesse „Perspektive Wein“

Familienbetriebe: Eigentlich ist es nur die Hausmesse der Weinhandlung Bernd Kreis, aber es ist auch eine gigantische Versammlung vom Who is Who in der deutschen Winzerszene. Eine derartige Qualität bringt kaum jemand in Deutschland zusammen. „Weil wir deren Weine schon verkauft haben, als das noch kaum jemand gemacht hat“, sagt Bernd Kreis. Und diese Spitzenkräfte halten ihm nun die Treue, „weil wir auch nur mit Familienbetrieben zusammenarbeiten“.

Winzer: Bei der Veranstaltung „Perspektive Wein“ in den Wagenhallen kommen 80 Winzer aus sechs Ländern, aus Deutschland zum Beispiel das Weingut Huber aus Baden, das Weingut Künstler, das Weingut Van Volxem, das Weingut Friedrich Becker, das Weingut Christmann, das Weingut Wittmann, das Weingut Rudolf Fürst, das Weingut Breuer oder die Lokalmatadoren wie Aldinger, Schnaitmann und Wöhrwag.

Öffnungszeiten: Am Sonntag, 10. November, und am Montag, 11. November, ist jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet (Eintritt 25  Euro, 40 Euro für beide Tage).