In der Talkshow „Maybrit Illner“ rät die Virologin Melanie Brinkmann trotz schwächerer Krankheitsverläufe bei Omikron weiter zur Vorsicht – und vor allem zur Impfung. Ein Thema in der Sendung ist erneut die Impfpflicht.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Berlin - „Die Tür ein wenig öffnen“: Diese etwas kryptische Formulierung des Virologen Christian Drosten vor wenigen Tagen geisterte am Donnerstag (13. Januar 2022) mehrfach durch die Talkshow von Maybrit Illner, in der es um die möglichen Folgen der Omikron-Variante ging. Drostens Kollegin, Melanie Brinkmann von der Universität Braunschweig, machte sich deshalb an eine Erläuterung.

 

Da bei Omikron die Krankheitsverläufe weniger schwer zu sein scheinen und da viele Menschen geimpft seien, gebe es eine Entkoppelung von Infektionszahlen und Todesraten, so Brinkmann. Denn auch wenn die Impfungen nur noch wenig vor einer Infektion schützten, so seien sie doch wichtig für den Schutz vor schwerer Erkrankung. Allerdings sei in Deutschland die Impfquote niedriger als in anderen europäischen Staaten; deshalb könne man die Tür bei uns nur wenig öffnen für Erleichterungen, in anderen Ländern mehr.

Noch zu wenig Erkenntnisse über die Omikron-Variante

Tatsächlich berichtete die Korrespondentin Anne Arend aus Spanien, dass dort die Pandemie ihren Schrecken weitgehend verloren habe – und das trotz Rekordzahlen bei den Infektionen. Aber die Impfquote sei dort hoch, weil der Schock der Spanier vom Beginn der Pandemie mit vielen Toten tief sitze und deshalb eine hohe Impfbereitschaft vorhanden sei. Zudem seien Impftermine in Spanien zentral vergeben worden. Allerdings: in manchen Regionen seien die Intensivstationen bereits wieder voll.

Auch Melanie Brinkmann warnte davor, die Omikron-Variante auf die leichte Schulter zu nehmen: „Das bleibt ein Virus, mit dem man sich besser nicht infizieren sollte.“ Dies gelte zuvorderst für ungeimpfte Menschen. Dazu wisse man auch noch zu wenig. Es gebe etwa noch keine Erkenntnisse darüber, wie häufig Long Covid bei Omikron auftrete oder wie stark kleine Kinder auf die Variante reagierten. Die Vorstellung, man lasse Omikron wie eine Grippe über sich ergehen, könne gefährlich sein: „Die Natur ist grausam“, sagte Brinkmann.

Kommt die Impfpflicht überhaupt noch?

Zur Impfpflicht entwickelte sich in der Sendung eine lebhafte Debatte. Die Journalistin Eva Quadbeck kritisierte die Regierung scharf, weil sie keinen eigenen Gesetzentwurf vorlege, sondern die Initiative dem Parlament überlasse: „Gesundheitsminister Karl Lauterbach hätte sich an die Spitze der Bewegung stellen müssen“, so Quadbeck. Dem widersprach Manuela Schwesig, die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Es gehe um eine Gewissensentscheidung, weshalb man wie etwa bei der Debatte um die Sterbehilfe dem Bundestag den Vortritt lasse.

Dass eine Impfpflicht überhaupt kommt, glaubt Eva Quadbeck nicht mehr. Die Ampelregierung habe dafür ja gar keine eigene Mehrheit, weil die FDP ausschere. Und die starke Kehrtwendung der Politik – von der Beteuerung, es werde keine Impfpflicht geben, zur heutigen Haltung – habe viel Vertrauen zerstört. Zudem ziehe sich die Sache zu lange hin, womöglich könne erst im März darüber abgestimmt werden. Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar warnte grundsätzlich vor einer Impfpflicht: Sie führe in eine Spaltung der Gesellschaft und damit in eine Sackgasse.

Verkürzung der Quarantäne sei verantwortbar

Maybrit Illner wollte von ihren Gästen daneben wissen, ob die Verkürzung der Quarantänezeit medizinisch zu rechtfertigen sei oder ob das nur ein Zugeständnis an die zu erwartenden hohen Personalausfällen in kritischen Bereichen sei. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) betonte, dass die Inkubationszeit bei Omikron wohl kürzer sei. Es sei eine politische Abwägung, die Quarantäne von 14 auf zehn Tagen zu verkürzen, geboosterte Kontaktpersonen gar nicht mehr in Quarantäne zu schicken und teilweise auch Schnelltests zum Freitesten zu akzeptieren: „Aber am Ende ist es verantwortbar.“

Auch Manuela Schwesig sieht dies so. Es handle sich um einen kleinen Schritt, der ebenfalls zu einem „sanft die Tür öffnen“ gehöre. In Mecklenburg-Vorpommern hoffe man angesichts der Omikron-Welle auf das Beste, bereite sich aber auf das Schlimmste vor – es könne passieren, dass ein Viertel oder mehr des Personals der kritischen Infrastruktur ausfalle. Darauf sei man vorbereitet.

Ärger um Ausscheren Bayerns

Einen Disput zwischen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gab es in der Talkshow aber dennoch. Klaus Holetschek verteidigte das Ausscheren Bayerns bei den neuen Corona-Maßnahmen: In Bayern gilt in der Gastronomie nur 2G, während im Rest der Republik 2G plus zur Anwendung kommt. Holetschek begründete dies mit den milderen Verläufen bei Omikron. Manuela Schwesig wurde in diesem Punkt aber sehr deutlich: Sie könne über Bayern nur staunen – gerade das Bundesland, in dem vor kurzem noch Patienten wegen fehlender Intensivbetten ausgeflogen werden mussten, presche nun bei den Lockerungen voran. „Es wäre gut, wenn überall die gleichen Regeln gelten würden“, sagte Schwesig.