Der Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“, Bernd Hilder, ist bei der Wahl zum MDR-Intendanten gescheitert. Er war der einzige Kandidat.

Leipzig - Die Überraschung ist perfekt: Der Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks hat den vom Verwaltungsrat nominierten Kandidaten für den Posten des Intendanten durchfallen lassen. Bernd Hilder, Chefredakteur der "Leipziger Volkszeitung", hätte mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden müssen, bekam aber bloß zwölf Stimmen des 41-köpfigen Gremiums, 29 Mitglieder stimmten gegen ihn. Schon im Verwaltungsrat hatte Hilder die gleichfalls notwendige Zweidrittelmehrheit der sieben Mitglieder erst im vierten Wahlgang erreicht.

 

In diesem Gremium lag zunächst Karola Wille vorn. Die Justiziarin des Senders galt als Favoritin vieler MDR-Mitarbeiter, zumal sie eine Schlüsselrolle bei der Aufdeckung der jüngsten Skandale im Sender gespielt hat. Andererseits wurde mit Hilder die Hoffnung verbunden, jemand von außen sei besser geeignet, um den Laden gründlich aufzuräumen. Auf diesen Aspekt bezog sich auch seine Aussage nach der Niederlage: "Schade. Gerne hätte ich dem MDR geholfen, aus seiner Krise herauszukommen."

Auch gegen Karola Wille gibt es Vorbehalte

Allerdings gab es Zweifel, ob der frühere ARD-Korrespondent dafür der Richtige gewesen wäre. Hilder galt als Favorit der von der CDU geführten sächsischen Staatskanzlei. Beobachter vor Ort befürchteten eine Fortsetzung der politischen Ränkespiele, die den MDR seit zwanzig Jahren begleiten. Von Anfang an hatten die Christdemokraten enormen Einfluss auf die Geschicke des Senders. Bereits das erste Gremium, der im Frühling 1991 gegründete Rundfunkbeirat, war eindeutig parteidominiert: Die CDU stellte in den MDR-Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Ministerpräsidenten. Von Staatsferne konnte schon allein deshalb keine Rede sein, weil acht der neun Mitglieder des Beirats Politiker waren. Sie ernannten den Gründungsintendanten, Udo Reiter, bis dahin Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks, sowie die wichtigsten Führungskräfte. Auch heute noch ist ohne die Stimmen Sachsens im Verwaltungsrat keine Mehrheit möglich. Der Posten des MDR-Intendanten ist zudem nicht öffentlich ausgeschrieben worden.

Aber auch gegen Karola Wille, die nun wieder gute Karten hat, gab und gibt es Vorbehalte. Sie genießt zwar großen Respekt, muss aber damit leben, als bislang stellvertretende Intendantin zu jenem Führungspersonal gehört zu haben, das bei den Skandalen nicht eingeschritten ist, obwohl es schon vor Jahren die ersten Hinweise gab. Dieser Vorwurf trifft naturgemäß vor allem Udo Reiter. Der langjährige Chef scheidet Ende Oktober aus seinem Amt. Die Geschichte des Senders war zwei Jahrzehnte lang untrennbar mit seinem Namen verbunden. Noch vor einem Jahr hätte Reiter triumphal Abschied nehmen können: Es gab zwar gelegentliche Ungereimtheiten, doch im Großen und Ganzen präsentierte sich die Dreiländeranstalt ordentlich. Seit 14 Jahren ist MDR Fernsehen das erfolgreichste dritte Programm der ARD. Doch schon die Betrugsaffäre beim Kinderkanal wurde zumindest zu Teilen der MDR-Führung angelastet. Spätestens die seltsamen Geldbeschaffungsmethoden des Unterhaltungschefs Udo Foht, der Produktionen offenbar über Bande finanzieren ließ, verdeutlichte noch mal, dass der MDR ein etwas spezieller Sender ist.

Bei erneuerter Wahl reicht die einfache Mehrheit

Reiters mehrfach verlängerter Vertrag war bis 2015 datiert. Sein vorzeitiger Rücktritt, ließ er verlauten, stehe in keinem Zusammenhang mit den jüngsten Skandalen. Dass die Nominierung Hilders bei Beobachtern dennoch nicht gerade Euphorie auslöste, hatte auch damit zu tun, dass es ausgerechnet Reiter war, der ihn als Kandidaten ins Spiel gebracht hat. Aber auch innerhalb des Senders gab es große Skepsis gegenüber dem möglichen neuen Chef. Seine Präsentation vor dem Verwaltungsrat soll eher durchwachsen gewesen sein, seine Visionen überschaubar. Wie die Stimmung im Haus aussah, ließ sich einem Brief an die Mitglieder des Rundfunkrats entnehmen. Darin äußert der Personalrat grundsätzliche Bedenken gegenüber Kandidaten, denen "auch nur ein Hauch von Staatsnähe" vorausgehe. Innerhalb eines Monats muss der Verwaltungsrat nun einen neuen Kandidaten küren. Gut möglich, dass auch dieser nicht die nötige Mehrheit findet.

Da Reiter in vier Wochen aus dem Amt scheidet, wäre der Sender führungslos. In diesem Fall würde bei einer erneuten Wahl die einfache Mehrheit genügen. Eine Intendantensuche, die sich womöglich über mehrere Monate hinzieht, würde das Image des Senders noch mehr beschädigen.