Behörden und Prüfer sind durch den Skandal um Brustimplantate der französischen Firma PIP vorsichtig geworden. Vorwürfe gegen den brasilianischen Hersteller Silimed werden geprüft – während betroffene Frauen nicht wissen, ob für sie ein Risiko besteht.

Stuttgart - Zehntausende Frauen allein in Deutschland tragen Silikonkissen des brasilianischen Herstellers Silimed in ihrem Körper. Ob sie damit zu einer Risikogruppe geworden sind, kann derzeit weder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) noch der Tüv Süd mit Sicherheit sagen oder ausschließen. Noch laufen Untersuchungen, sagen beide Instanzen.

 

Seit dem Skandal des französischen Implantateherstellers PIP, in den der Schwester-Tüv Rheinland verstrickt war, sind Behörden und Prüfer vorsichtig geworden. Eine falsche Verdächtigung kann sich für einen Hersteller schnell als ruinös erweisen. Dann drohen Schadenersatzklagen. Reden will deshalb derzeit eigentlich niemand von den Beteiligten.

Klar ist so viel: Mitte September hat der Tüv Süd die Zertifizierung von Silimed-Implantaten ausgesetzt. Betroffen ist die gesamte Produktpalette, und das fast überall in Europa. Bei einem unangekündigten Besuch im brasilianischen Implantatewerk hat der Tüv Produktproben sichergestellt, auf denen Verunreinigungen gefunden wurden. „Deren Herkunft und Auswirkung auf die Produktsicherheit konnte der Hersteller nicht ausreichend klären“, stellt der Tüv klar. Silimed habe in der Produktion auch keine Abhilfe schaffen können, um Verunreinigungen künftig zu vermeiden, und dürfe deshalb keine Silikonkissen mehr nach Europa bringen. Auch in Brasilien, dem weltgrößten Markt für Brustimplantate, sind Silimed-Produkte mittlerweile aus dem Verkehr gezogen.

Der Hersteller bestreitet Verunreinigungen

Die Firma, ein Familienunternehmen, ist nicht irgendwer, sondern der drittgrößte Implantatehersteller der Welt. Der sieht die Sache allerdings ganz anders und wenig dramatisch, jedenfalls mit Blick auf Gesundheitsrisiken für Frauen. „Silimed versichert die Unbedenklichkeit seiner Produkte“, lässt das Unternehmen über seinen deutschen Vertriebspartner Triconmed und dessen Geschäftsführer Burkhard Reis erklären. Die Silikonkissen seien nicht kontaminiert, sondern gesichert steril. Minimale Partikelmengen befänden sich auf allen medizinischen Produkten, auch den Implantaten anderer Hersteller.

Bei der US-Aufsichtsbehörde für medizinische Produkte FDA sei voriges Jahr eine anonyme Beschuldigung eingegangen, nach der Silimed-Implantate mit Glasfaserresten kontaminiert seien, sagt Reis. Die FDA habe geprüft, und zwar ohne die Zertifizierung auszusetzen, und das Verfahren im April 2015 als offensichtlich unbegründet beendet. Dann sei bei der deutschen Bfarm eine anonyme Anschuldigung eingegangen. Die habe den Tüv Süd in Bewegung gesetzt, mit dem bekannten Ergebnis.

Silimed habe mittlerweile ein toxikologisches Gutachten erstellen lassen. Demnach handle es sich bei den Partikeln auf den Implantaten um Baumwolle. Die Partikelgröße betrage 20 Nanometer. Bakterien seien zehnfach größer, und die Partikel ungefährlich. Das Gutachten liege dem Bfarm vor, und nun warte Silimed auf eine Reaktion. Allein in Deutschland sei bereits ein Millionenschaden aufgelaufen. Insgesamt gehe es um mindestens eine hohe zweistellige Millionensumme, den Imageschaden nicht eingerechnet.

Die betroffenen Frauen müssen auf Klärung warten

Das Bfarm bestätigt, mit Silimed in Kontakt zu stehen und das Gutachten erhalten zu haben. Nun prüfe man. Der Tüv will Mitte Februar die Produktion in Brasilien erneut unter die Lupe nehmen. Eigentlich hätte das schon Mitte Dezember geschehen sollen. Aber das Implantatewerk in Brasilien ist vor Kurzem abgebrannt. Mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen in Deutschland bezeichnen das als interessanten Zufall. Sie bestreiten auch eine Überreaktion von Tüv und Behörden. Der Partikelbefall von Silimed-Kissen sei deutlich ausgeprägter als bei Konkurrenzprodukten, und die Partikel seien nicht so klein wie von Silimed dargestellt. Allerdings sind bisher keine Komplikationen mit Silimed-Implantaten festgestellt worden.

Frauen mit Silimed-Implantaten in der Brust hilft das nicht weiter. Sie brauchen Gewissheit. Auch Schönheitschirurgen wollen endlich wissen, woran sie sind und ob Gefahr im Verzug ist oder nicht. „Partikel auf Implantaten können immer zu Problemen führen, auch wenn sie nicht toxisch sind“, sagt einer von ihnen. Wann endlich Klarheit herrschen wird, wagt auch das Bfarm nicht abzuschätzen.