Eine Fachanwältin für Medizinrecht will mit der FDP im Bundestag ein neues Gesetz zur Sterbehilfe voranbringen. Dafür sprach sie mit Ärzten und Palliativmedizinern.

Berlin - Es ist eine gute Tradition im Bundestag: Bei ethischen Fragen beraten und entscheiden die Abgeordneten über die Grenzen von Fraktionen und Parteien hinweg. Das war so, als das Parlament rechtliche Regeln für die Patientenverfügung, den Schwangerschaftsabbruch oder zuletzt für die Organspende beschloss. Wird es auch bei der Sterbehilfe so sein? Seit Februar liegt dazu ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor. Wie der Bundestag damit umgeht, ist offen.

 

Kein Platz für Scharlatane

Die FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr hat sich im Sommer in mehreren Gesprächsrunden mit Ärzten, Medizinern und Juristen überlegt, was jetzt zu tun wäre. Denn Karlsruhe hat zwar das Verbot der so genannten geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärt, sprich: das Verbot, das der Bundestag 2015 in das Strafgesetzbuch eingefügt hatte. Nur heißt das nicht, dass es jetzt frei von Regeln Hilfe zum Suizid geben muss – also das Scharlatane durch die Lande reisen und Menschen gegen viel Geld tödliche Medikamente verschaffen.

Selbstbestimmung ist das Ziel

Vielmehr erlaubt das Verfassungsgericht sehr wohl Auflagen. Die dürfen nur nicht so streng sein, dass damit die Selbstbestimmung am Lebensende rechtlich oder faktisch unmöglich wird. Auch muss es einem Menschen, der aus freiem Entschluss aus dem Leben scheiden will, möglich sein, dafür die Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen.

Als Reaktion auf Karlsruhe schlägt Helling-Plahr vor, dass jemand, der nach reiflicher Überlegung Suizid begehen will, einen Arzt konsultiert. Der überzeugt sich von der „Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen, der Freiverantwortlichkeit sowie der Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches“. Dann erfolgt ein Gespräch in einer Beratungsstelle, die dem „Schutz des bestehenden Lebens“ dienen soll. Bleibt die Person bei ihrem Sterbewunsch, bekommt sie von einem Arzt ein tödlich wirkendes Arzneimittel, das sie selbst einnehmen muss.

FDP-Frau sucht Verbündete

Über ihren Vorschlag tauscht sich Helling-Plahr, die Fachanwältin für Medizinrecht ist, nun mit Abgeordneten von SPD, Grünen und Linkspartei aus. Ziel der Juristin ist es, einen gemeinsamen Gesetzentwurf einzubringen und dafür eine Mehrheit der 709 Abgeordneten zu gewinnen. Unter den 80 FDP-Abgeordneten hat Helling-Plahr großen Rückhalt. Und wahrscheinlich werden auch Grüne, Sozialdemokraten und Linke eine liberale Regelung wollen. Davon zeugt das Abstimmungsverhalten von 2015. Das Verbot kam damals nur zustande, weil es die allermeisten Parlamentarier von CDU und CSU unterstützten. Nur weißt diesmal niemand so recht, wie die Union mit dem Richterspruch umgehen will.

Während das Parlament noch unentschlossen ist, kommen Impulse aus der Zivilgesellschaft. So haben der Humanistische Verband und ein Kreis um die namhaften Palliativmediziner Gian Borasio und Ralf Jox Vorschläge unterbreitet. Borasio betont, dass Suizidhilfefälle in den Ländern stiegen, in denen es keine gesetzlichen Bestimmungen gebe. Deshalb müsse es in Deutschland Vorgaben geben – und zwar so, dass allein Ärzte prüfen, ob jemand sterben will und in diesem Fall dann Hilfe zur Selbsttötung leisten. Das Verfassungsgericht, sagt Jox, habe den Weg für eine humane gesetzliche Regelung eröffnet: „Der Deutsche Bundestag erhält nun eine zweite Chance auf ein kluges Gesetz – er sollte sie nutzen.“ Im Herbst 2021 findet die nächste Wahl statt.

Palliativmediziner schalten sich ein