Erst wollten sie hundert Prozent, dann 60, jetzt sind es nur noch 20 – die Grünen in der Landesregierung schrauben ihre Ziele herunter, wie viel Bioessen in Landeskantinen ausgegeben werden soll. Das ärgert die eigenen Mitglieder.

Stuttgart - Als Tiger gestartet, als Bettvorleger geendet: So haben es die Grünen in Baden-Württemberg mit ihren Vorsätzen zur Bio-Verpflegung in Kantinen gehalten. Sowohl die grüne Fraktion im Landtag, als auch die Landespartei haben sich im Herbst 2019 große Ziele gesetzt. Auf dem Parteitag in Sindelfingen beschlossen die Mitglieder, dass in Kantinen, Mensen und Cafeterien des Landes 100 Prozent des Essens aus biologischer Landwirtschaft stammen soll. Als Zeitrahmen wurde 2030 festgelegt, wobei schon fünf Jahre vorher 30 Prozent der Nahrungsmittel in den öffentlichen Kantinen aus Biolandbau stammen soll.

 

Ehrgeiz auch bei den Grünen in der Regierung

Dem Mitgliedervotum zuvor kam die Grüne Fraktion im Landtag. Auf ihrer Klausur in Herrenberg ebenfalls im September 2019 verabschiedeten sie ein Papier namens „Konsequenter Klimaschutz in Landwirtschaft, Waldwirtschaft und Ernährung“. Darin bekundeten die Grünen „so schnell wie möglich“ in allen landeseigenen Kantinen 60 Prozent Bio-Lebensmittel einsetzen zu wollen. Zum Einstieg soll die Umstellung in Pilot-Kantinen getestet werden. Diese liegen in den Bio-Musterregionen des Landwirtschaftsministeriums – mit dabei ist zum Beispiel die Kantine der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg, auch die Mitarbeiter des Innenministeriums sollen Bioessen bekommen. Die Qualität der Außer-Haus-Verpflegung will man dort zuerst verbessern.

Warum haben sich die Grünen diese Ziele gesetzt? Bisher stammen erst fünf Prozent der Lebensmittel aus denen in Landeskantinen das Mittagessen gekocht wird aus Bio-Anbau. Aber immer mehr Menschen legen Wert auf gesunde Ernährung, achten beim privaten Einkauf auf regionale und biologisch erzeugte Nahrung. Da wollen die Bürger auch beim Kantinenessen nicht zurückstecken. Das Land soll als Vorbild vorangehen und den Landwirten, die bereit sind zur Umstellung Absatzmärkte bieten.

Von 100 auf 60 auf nur mehr 20 Prozent reduziert

Doch heute will man bei den Grünen von den Beschlüssen im Herbst nichts mehr wissen. Zwar sagt Martin Grath, der verbraucherschutzpolitische Sprecher der Fraktion: „Hundert Prozent Bio sind erreichbar.“ Er gesteht aber auch: „Wir sind aber noch ein ganzes Stück entfernt davon.“ Der allergrößte Teil der Landeskantinen sei verpachtet. Nur wenige werden vom Land selber betrieben. Die „ambitionierten Ziele“ aus dem Herbst seien nicht „von heute auf morgen umsetzbar“. Im November verabschiedete die Fraktion ihr „Klimaschutz-Sofortprogramm“, in dem Acht-Punkte-Plan findet sich nur noch das Ziel 20 Prozent Bio-Lebensmittel bis 2030. Also 80 Prozent tiefer gestapelt als es die Mitglieder im Herbst vorgegeben haben. Das ärgert die Antragführer vom Landesparteitag. Einer der 100-Prozent-Unterstützer ist Frithjof Rittberger, er sagt: „Es braucht ein klares Ziel, welches dann ausstrahlen kann auf Kommunen und die Privatwirtschaft.“ In der Kantine habe man zum dort Angebotenem keine Wahl. Das Grünen-Mitglied aus Tübingen bemängelt, das die Verantwortlichen in seiner Partei schon eingeknickt seinen, obwohl man noch gar nicht offiziell in Verhandlungen mit dem schwarzen Koalitionspartner eingetreten ist.

Laut den Grünen im Landtag habe man jedoch Konsens mit der CDU, dass 30 bis 40 Prozent des Landbaus in Baden-Württemberg bis 2030 auf bio umgestellt sein soll. Aber ein Sprecher der grünen Partei betont, dass Landwirte von nachhaltig produzierten Lebensmitteln gut leben können müssen und sich die Umstellung auf Bio im Geldbeutel auch positiv bemerkbar macht. Er erklärt die Differenz zwischen Parteiziel und Fraktionsergebnis so: „Wir verstehen uns als Treiber des gesellschaftlichen Wandels, deshalb dürfen und sollen Parteipositionen auch immer wieder von Fraktions- und Regierungshandeln abweichen.“ Man gehe mit „grünen Positionen“ in die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner.

Da passt es doch gut, dass auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) das Bio-Thema an verschiedenen Stellen im Doppelhaushaushalt 2020/2021 untergebracht hat und die Landeskantinen bei den Themen Bio und regional weiter voranbringen will. Die Arbeit in den Modellkantinen wird fortgesetzt und mit 125 000 Euro unterstützt, für andere Leuchtturmprojekte stehen im „Aktionsplan Bio“ 500 000 Euro zur Verfügung. Kantinenbetreiber will man mit Weiterbildungen zu den Themen Bio in der Gemeinschaftsverpflegung erreichen. Auch für Senioren soll die Essensituation verbessert werden, dafür fließen Bundes- und Landesmittel in Höhe von 237 000 Euro über fünf Jahre hinweg. Hauk scheint das Thema also nicht unwichtig zu sein. Die Grünen stießen mit ihren Zielen möglicherweise auf offene Ohren. Zumindest sollten sie als Tiger in die Verhandlungen starten.