Das fahrradpolitische Ziel hat Grün-Schwarz verfehlt. Nun soll die Infrastruktur für Fahrräder noch stärker mit viel Geld ausgebaut werden. So will man mehr Menschen zum Umsteigen bewegen.

Stuttgart - Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erhofft sich von dem aktuellen Investitionsschub beim Radverkehr einen beträchtlichen Aufschwung für dieses Transportmittel. Zwar sei Radfahren so populär wie nie zuvor und spiele gerade in der Corona-Krise seine Stärken aus, sagte Hermann am Montag vor Medienvertretern. Vom formulierten Ziel, den Radverkehrsanteil am Verkehr von acht Prozent im Jahr 2008 auf 16 Prozent im Jahr 2020 zu verdoppeln, sei man allerdings noch deutlich entfernt.

 

Aktuelle Statistiken kann Hermann nicht vorlegen: „Einzelne Zählstellen zeigen mehr, andere weniger Radverkehr an.“ Solche Geräte seien aber nicht gleichmäßig über das Land verteilt. Der Radverkehrsanteil ist seiner Meinung nach aber mittlerweile erheblich höher einzuschätzen als die zehn Prozent, die 2017 im Rahmen der bundesweiten Studie „Mobilität in Deutschland“ ermittelt worden waren. Einen erheblichen Schub erwartet sich Hermann nun von den vielen Dutzend Baumaßnahmen, die derzeit mit Mitteln des Bundes, des Landes sowie der Kommunen finanziert werden.

Immer mehr Radschnellwege

58 Millionen Euro umfasst dem Minister zufolge das Förderprogramm des Landes, fast doppelt so viel wie im vergangenen Jahr: „Das ist das bisher größte Förderprogramm für kommunale Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg.“ Dazu zählen etwa Radwege entlang von Bundes- und Landesstraßen, Fahrradabstellplätze, aber auch sogenannte Radschnellwege – das sind breite und kreuzungsfreie Fahrbahnen, auf denen etwa Berufspendler größere Distanzen zurücklegen können. 50 solcher Verbindungen sind derzeit in Planung, der nächste Schnellweg soll in diesen Tagen zwischen Böblingen und Herrenberg eröffnet werden.

2018 wurden nach Angaben des Verkehrsministeriums 43 Kilometer Radwege im Südwesten gebaut, 2019 waren es 56 Kilometer, dieses Jahr sollen 70 Kilometer hinzukommen. 2018 wurden zudem 1913 Rad-Abstellplätze geschaffen, 2019 waren es 1722, 2020 sollen es 4169 mehr werden.

Rückenwind für den Radverkehr erhofft sich Hermann auch von der jüngsten Reform der Straßenverkehrsordnung, die am 28. April in Kraft trat: „Sie enthält erste wesentliche Verbesserungen für Radfahrende.“ So dürften diese nun grundsätzlich nebeneinander fahren, und Autos müssten beim Überholen einen Abstand von 1,5 bis zwei Meter gegenüber dem Radverkehr einhalten. Damit Radfahrer an Kreuzungen nicht durch parkende Autos verdeckt werden, seien die letzten acht Meter vor einer Kreuzung für parkende Autos tabu, und auch auf Schutzstreifen für den Radverkehr dürfe nicht mehr gehalten werden. Eine noch weiter gehende, zweite Novelle der Straßenverkehrsordnung sei angekündigt, sagte Hermann: „Das Radfahren wird angenehmer und sicherer.“

Der „Bund“ lobt das Land

Er räumte ein, dass manche Kommunen noch erheblichen Nachholbedarf bei der Infrastruktur haben: „Denen halten wir die Karotte hin in Form einer besseren Förderung.“ Sie müssten allerdings zugreifen. Es liege an den Bürgern, Druck auf ihre gewählten Vertreter vor Ort auszuüben. Um ein zuverlässiges Bild des gesamten Landes zu erhalten, will Hermann den Bedarf für Radwege an Bundes- und Landesstraßen systematisch erfassen lassen und dann Schwerpunkte setzen. Nun verfolgt der grüne Minister das Ziel, den Radanteil bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln. „An dem Ziel halten wir fest, auch wenn wir noch nicht so weit vorangekommen sind, wie wir uns das gewünscht haben.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) nannte die Radverkehrspolitik des Landes vorbildlich. „Nie zuvor ist so viel Geld in den umweltfreundlichen und flächensparenden Rad- und Fußverkehr investiert worden“, erklärte Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch. Die Kommunen müssten die Fördermöglichkeiten nutzen, um Straßen und Parkplätze zurückzubauen und mehr Platz für klimaschonende Mobilität zu schaffen.