Die Verständigung zwischen Arzt und Patient klappt nicht immer – das lässt sich ändern, so der Gesundheitsexperte Hardy Müller. Wie das funktionieren kann und was Patienten selbst tun können, das erklärt er im Interview.

Berlin - In Baden-Württemberg können Ärzte bald auch per Telefon behandeln. Ob das neue telemedizinische Verfahren dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient mehr schadet denn nützt, erklärt Hardy Müller vom Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS).

 
Herr Müller, bei der APS- Jahrestagung 2017 wollen Sie für eine bessere Verständigung zwischen Arzt und Patient werben. Funktioniert diese denn per Telefon – schließlich können Ärzte in Baden-Württemberg dank der Telemedizin auch über Anrufe behandeln?
Tatsächlich galt lange Zeit der Grundsatz bei der ärztlichen Behandlung: Behandele nie einen Patienten, dem Du nicht zuvor die Hand geschüttelt hast. Aber inzwischen wissen wir: Das Entscheidende ist nicht unbedingt, dass sich Arzt und Patient von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen, sondern wie sie das Gespräch gestalten. Werden die richtigen und zentralen Fragen gestellt, kann dies auch fernmündlich funktionieren. Wichtig ist aber, dass die telemedizinische Verfahren als Ergänzung der ärztlichen Versorgung gedacht sind. So gibt durchaus Bereiche, bei denen ein Arzt den Patient nicht unbedingt sehen muss – etwa wenn es um die Ausstellung eines Medikamentenplans geht.
Was sind die zentralen Fragen, die beim Arzt-Patienten-Gespräch auftauchen sollten ?
Es ist wichtig, dass der Patient seine Beschwerden genau schildert und auch sagt, wann diese angefangen haben. Auch sollte er alle Medikamente benennen können, die er zur Zeit einnimmt, sowie die rezeptfreien Mittel als auch die zur Nahrungsergänzung. Weiter sollte abgefragt werden, welche Ärzte der Patient noch besucht und was diese für Befunde festgestellt haben. Unterlagen wie Impfpass, Implantationspass oder Mutterpass sollte der Patient dabei haben. Das bedeutet: Der Patient sollte sich aktiv auf den Arztbesuch vorbereiten.
Die Forderung nach einem mündigen Patienten sind nicht unbedingt neu: Fällt es Menschen immer noch so schwer, ihrem Arzt die richtigen Fragen zu stellen?
Es gibt Untersuchungen über den Stand der sogenannten Gesundheitsmündigkeit der Bundesbürger. Dabei kam heraus, dass die Mehrheit dabei über ein ungenügendes Niveau verfügt. Bei der Beschaffung und Nutzung wichtiger Gesundheitsinformationen sind wir nicht besonders gut. Zum Beispiel steht seit dem vergangenen Jahr jedem Patient, dem mehr als drei Medikamente verordnet wurden, ein Medikationsplan zu. Dieser wird von den Ärzten ausgestellt. Von den möglichen 20 Millionen Verordnungen, sind das nur ganz wenige Patienten, die diesen abgerufen haben. Das zeigt: Die Hilfsmittel und Informationsquellen, die es bereits für Patienten gibt, sind zu wenig bekannt. Dabei ist insbesondere der Aspekt der Medikation sehr wichtig. So rechnet man, dass bis zu zehn Prozent aller Krankenhausaufenthalte auf die Problematiken der Arzneimittelgabe zurückzuführen sind. Das hat auch wirtschaftliche Folgen: Eine aktuelle Studie der OECD rechnet vor, dass bis zu 15 Prozent der Krankenhausausgaben aufzubringen sind, um die Auswirkungen mangelnder Patientensicherheit zu kurieren.
Ist es nicht so, dass auch die Ärzte noch ihre Probleme haben, verständlich zu erklären?
Ja, auch auf diesem Feld gibt es noch viel zu tun. Es ist aber auch viel in Bewegung: es gibt beispielsweise das Portal washabich.de, das Patienten die Möglichkeit bietet, sich von Medizinstudenten ihre Diagnosen in verständlichem Deutsch erklären zu lassen. Der Bewusstseinswandel ist also da. Das merkt man auch in einem anderen für die Patientensicherheit wichtigen Bereich: Der Kommunikation innerhalb der Ärzteteams, die einen Patienten behandeln. Bei den Schulungen die wir anbieten, sehen wir häufig, dass Hierarchie-Verständnisse und Traditionen einer offenen, der Patientensicherheit dienenden Kommunikation entgegensteht – etwa wenn ein Assistenzarzt es nicht wagt, seinen Chef auf einen möglichen Behandlungsfehler hinzuweisen.
Wie kann dieser Bewusstseinswandel herbeigeführt werden?
In der Luftfahrt gibt es ein Crew-Ressources-Management, bei dem die Flugzeugbesatzung geschult wird, sich gegenseitig auf Problemlagen hinzuweisen. Wenn da eine Stewardess sagt, dass die Turbine seltsam klinge, dann wird dieser Einwand ernst genommen. Ein solches Programm bräuchte es auch für Ärzte, die Pflege und alle sonstigen Fachberufe, die an der Behandlung des Patienten beteiligt sind. Als Aktionsbündnis Patientensicherheit weisen wir mit unserer Jahrestagung darauf hin, dass Kommunikation wesentlich für die sichere Patientenbehandlung ist. Wir wollen den Behandlern dafür konkrete Hilfestellungen geben und uns auch auf politischer Ebene für dieses Thema einsetzen: So wollen wir erreichen, dass etwa in den Lernziel-Kataloge für Medizinstudenten mehr Platz für diese Kommunikationsthemen eingeräumt wird.
Zu einem Gespräch sollte man sich Zeit nehmen: Doch die fehlt vielen Hausärzten. Wie kann dieser Zeitmangel ausgeglichen werden?
Bei einem Gespräch zwischen Arzt und Patient ist es wichtig, dass der Patient vom Arzt so umfassend informiert wird, um gemeinsam zu einer Therapie-Entscheidung zu kommen. Nicht die Dauer, sondern die Qualität des Arzt-Patienten-Gesprächs ist für die Behandlung entscheidend. Wenn die knappe Zeit benutzt wird, um die Anzahl und Art der Medikamente mühsam und mit schlechtem Ergebnis zu recherchieren, dass ist dies Zeitverschwendung. Daher ist die gute Vorbereitung auf den Arztbesuch, beispielsweise mit einem Medikationsplan oder einer Checkliste so wichtig: So liegen die wichtigen Infos vor – und der Arzt kann sicher und schnell behandeln.

Zur Person Hardy Müller

Hardy Müller ist Gesundheitswissenschaftler und Anthropologe und zudem Referent im Wissenschaftlichen Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG).

Seit 2011 gehört Müller im Verein Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) dem Vorstand an.

Das APS bietet auf seiner Homepage Tipps, Infos und Checklisten für Gespräche mit Ärzten und Apothekern.