Unser Flüchtlingsreporter ist viel mit Bus und Bahn unterwegs. Das war auch schon in Syrien so. Auf dem Weg zur Arbeit stieß er sich im Mikrobus regelmäßig am Dach den Kopf.

Stuttgart - „Bitte, ich will rechts aussteigen“. Dieser Satz ist mir durch den Kopf gegangen, als ich zum ersten Mal mit dem Bus oder mit dem U-Bahn in Stuttgart fuhr. Es ist der Satz, den wir in Syrien immer verwendet haben, um den Fahrer zu bitten anzuhalten, wo wir wollen. Denn Haltstellen für Mikrobusse gab es nicht in Syrien. Neben dem Mikrobus, bei dem die vorderen Passagiere aussteigen müssen, damit ein hinten sitzender Fahrgast sich zwischen den Sitze durchzwängen kann, hatten wir aber auch Busse normaler Größe – sowie die Suzuki. Mit ihr kurvten wir über die Berge bei Damaskus. Es gab auch Züge, die zwischen den großen Städten fuhren.

 

Die Verkehrmittel in Syrien waren 24 Stunden verfügbar, aber ohne spezifische Haltestellen oder bestimmte Fahrzeiten. Deswegen war es auch völlig in Ordnung, den Fahrer zu bitten, irgendwo anzuhalten. In Stuttgart komme ich mit großer Präzision und Schnelligkeit an mein Ziel. Ich fühle mich hier auf eine Art wie ein Computer, programmiert auf die Zeiten der Züge.

Im Sommer geht schnell die frische Luft aus

Manchmal wirkt die Routine auch ein wenig unheimlich. Aber insgesamt ist der öffentliche Nahverkehr in Stuttgart etwas, worüber ich sehr froh bin. Was wahrscheinlich nur wenige wissen: Am Ende des 18. Jahrhunderts hatten wir in Syrien das stärkste Schienennetz im Nahen Osten. Züge fuhren in die anderen syrischen Provinzen und Nachbarländer. Heute gibt es kaum sichere Wege zwischen den großen Städten. Unsere Regierung hat nur eine Station für den Personenverkehr und den Kohlenzug aufrechterhalten. Dieser Zug war einst bei Touristen und den Bewohnern von Damaskus beliebt, auch weil sie wegen der häufigen Pannen immer etwas zum Spotten hatten.

Ich sehne mich heute danach, mit diesem Zug zu fahren oder mit dem Mikrobus, der innerhalb der Städte das schnellste und billigste Verkehrsmittel war. Obwohl mein Kopf wegen der Löcher und Unebenheiten in den Straßen immer wieder an das Dach des Mikrobus stieß. Obwohl ich im Stau manchmal meinen Sitzplatz mit einem Fremden teilen musste. In so einem Mikrobus geht im Sommer schnell die frische Luft aus. Der Weg zur Arbeit wurde so zu einem Weg des Leidens. Aber jetzt, in der Erinnerung, wirkt es süß auf mich.

Zug fahren als Strafe

In Syrien mit dem Zug zu fahren galt sogar als militärische Strafe. Im Winter froren die Fahrgäste, wenn sie dicke Decken vergessen hatten. Und das Rumpeln auf den eingerosteten Schienen ließ an Schlaf gar nicht denken. Als ich den Militärdienst antrat, sagte eine Offizier sarkastisch zu den Rekruten: „Das ist die erste Strafe. Wir nehmen den Zug und ihr bleibt heute Nacht wach“. Die Stuttgarter Züge gleiten dagegen so geräuschlos über die Schienen und sind so mollig warm im Winter, dass ich immer aufpassen muss, dass mir die Lider nicht zufallen.