Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos haben mehr im Kopf, als Menschen früher dachten. Sollten sie daher mehr Rechte bekommen? Was würden sie sich wünschen? Womöglich allzu Menschliches: Zigaretten, Bier, Chips und Fernsehen.

Stuttgart - Die Kollegen der „Zeit“ haben ihren Wissenschaftsteil in der vergangenen Woche den Zoo- und Haustieren gewidmet. Anlass Nummer 1: eine Anzeige von Tierversuchsgegnern, in der Tierexperimentatoren wie Andreas Kreiter von der Universität Bremen abgesprochen wurde, Menschen zu sein. Die Anzeige ist auch in der „Zeit“ erschienen; die Redaktion hat sich davon distanziert. Anlass Nummer 2: Das Säugetiergutachten des Bundes ist erschienen und fordert bessere Lebensbedingungen für viele in Gefangenschaft gehaltenen Tiere. Und zeitgleich liefert Colin Goldner mit seinem Bericht über Zoos den Anlass Nummer 3: die Zustände in Affengehegen seien vielerorts katastrophal.

 

Es ist schwer, das Verhalten von Affen nicht menschlich zu deuten. Im Stuttgarter Zoo, der Wilhelma, haben die Bonobos zum Beispiel einen Fernseher im Gehege (hier ein Video dazu). Sie schauen am liebsten Tierfilme, steht auf einer Hinweistafel, und langweilen sich bei Talkshows. Tiere, die ihnen gefährlich werden könnten, werden mit Buh-Rufen bedacht, wenn sie auf dem Bildschirm erscheinen. Und als in einem ähnlich ausgestatteten Gehege in einem anderen Zoo der Fernseher mal repariert werden musste, wurde der Techniker von den Bonobos mit Jubel begrüßt, als er den Apparat zurückbrachte. Aber trotzdem gibt es eine Glasscheibe zwischen den Affen und den Menschen, die für einen prinzipiellen Unterschied steht: Affen darf man einsperren, Menschen sind frei.

Das Great Ape Project fordert, diese Trennung aufzuheben: auch Affen, zumindest die Menschenaffen, sollten Menschenrechte erhalten. Andreas Sentker fragt in der „Zeit“, ob man dann nicht auch Delfine, Wale und Elefanten einbeziehen müsse. Damit deutet er ein Argument an, das in der Philosophie Dammbruchargument oder Argument der schiefen Ebene genannt wird: Wenn man erst damit beginnt, einigen Tieren Menschenrechte zu gewähren, kommt man in Teufels Küche. Die nächsten Schritte sind so wenig zu verhindern wie die Flut nach einem Dammbruch. Am Ende landet man bei einer zwangsläufigen Folgerung, die niemand gewollt hat. Andreas Sentker deutet es so an: Müsste man dann nicht auch Hunden Rechte zusprechen, weil sie lernfähig sind (der Border Collie Rico kannte zum Beispiel die Namen von 200 Stofftieren), und Erdmännchen wegen ihrer ausgeprägten Sozialstruktur?

Ein Schimpanse führt Zoobesucher und Pfleger hinters Licht

Dieses Argument beeindruckt mich nicht: Man würde einer Tierart nicht bloß Rechte einräumen, weil sie irgendeine Ähnlichkeit mit Menschen aufweist. Die Menschenaffen sind etwas Besonderes, weil unklar ist, was genau sie von Menschen unterscheidet. Immer wieder beobachten Forscher Verhaltensweisen, die sie nur bei Menschen vermutet hatten. Bei Hunden und Erdmännchen stellt sich die Frage nicht; es gibt genug, was sie von Menschen unterscheidet. Um willkürlich zwei Beispiele der Primatenforschung herauszugreifen: Ein Schimpanse sammelt in einem schwedischen Zoo Steine und Betonbruchstücke und versteckt sie, damit er sie am nächsten Tag in die Besuchermenge werfen kann. Und auf Sumatra haben Forscher beobachtet, dass Orang-Utans im Wald abends durch Rufe die Richtung anzeigen, in die sie am nächsten Tag weiterziehen werden. In beiden Fällen geht es im Planung, im ersten Fall sogar um Täuschung.

Aber nachzuweisen, dass das Innenleben eines Affen dem eines Menschen gleicht, ist schwer. Bleiben wir beim Beispiel Planung. Auch Eichhörnchen legen Vorräte an. Das wirkt wie ein Denken an die Zukunft, ist aber bloß ein Instinkt. Wenn man von echten Plänen redet, muss sich das Tier die Zukunft ausmalen können – verschiedene Zukünfte, um genau zu sein, aus denen es eine auswählt. „Im Wald zwei Wege boten sich mir dar“, denkt der Orang-Utan, und entscheidet sich dann für einen. Ob der Orang-Utan tatsächlich so denkt, haben die Forscher nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Es bleibt offen, ob nicht ein unbekannter Mechanismus den Orang-Utan in eine Richtung zieht und er dies bloß durch seinen Ruf ausdrückt. Und der Schimpanse, der sich für die nächste Besuchergruppe munitioniert, hat vielleicht die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, im Verborgenen zu agieren. Er hat vielleicht gesehen, dass Zoomitarbeiter Steine aus dem Gehege nehmen, wenn sie sie sehen. Dann wäre sein Verhalten immer noch beeindruckend, aber nicht ganz so beeindruckend, als wenn er sich einen pfiffigen Plan ausgedacht hätte.

Die Frage, wie sehr sich Menschen und Menschenaffen im Geiste ähneln, ist noch nicht beantwortet. Aber die bisherigen Erkenntnisse sollten uns Menschen vorsichtig werden lassen. Vielleicht werden wir den Affen eines Tages Grundrechte gewähren müssen. Dann müssten wir uns fragen, warum wir ihren Lebensraum weiter zerstören und beispielsweise auf Sumatra den Regenwald roden, um Palmölplantagen anzulegen. Ich frage mich außerdem, was sich Affen im Zoo wünschen würden, wenn sie die Wahl hätten: Freiheit in einer gefährlichen Wildnis? Oder doch lieber Fernsehen?