Großer Sport in der Bar Tatti: Tommy Haas spielt die Losfee, das Essen kommt aus dem Olymp und ein Steirer charmiert alles in Grund und Boden.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Wimbledon trifft auf Fluxus: In einer hübschen Inszenierung ging am Samstagabend die Auslosung für das Tennisturnier der Herren am Weißenhof in der Bar Tatti am Rotebühlplatz über die Bühne. Die beiden Tennis-Profis Tommy Haas und Michael Berrer spielten gemeinsam mit Turnierdirektor Edwin Weindorfer Losfee. Das Outfit des Servicepersonals vereinte amerikanisches Autorenkino mit einer TV-Serie der 90er: Obenrum weiße Polohemden, unten herum rote Tennisröckchen, die zumindest farblich ein wenig nach Pamela Anderson am Strand aussahen.

 

Optisch also eindeutig Spiel, Satz und Sieg für das Fed-Cup-Team Tatti. Und auch organisatorisch servierten Paul Benjamin Scheibe und Marcus Phillip, derzeit eines der erfolgreichsten gastronomischen Doppel der Stadt, an diesem Abend sicherer als die Tennisveranstalter: Die hielten nämlich krampfhaft an ihrem Zeitplan fest, starteten überpünktlich um 18 Uhr mit der Auslosungszeremonie, statt im Sinne eines variableren Spiels auf die vielen schönen Gäste zu warten, die den Weg auf den Tatti-Center-Court nicht ganz so pünktlich fanden.

Das Tatti ist die offizielle Kantine der Spieler während des Turniers

So hatte die Auslosung selbst dann den Spannungsgrad eines Vorberichts einer Fußballübertragung inne, allzu routiniert spielten sich Haas und Berrer die Bälle zu und kommentierten die Stärken der gelosten Spieler am Fließband („starker Aufschlag, schwerer Gegner, gut in Form“). Der Stuttgarter Lokalmatador Berrer gewann bei der Auslosung wenigstens den Preis für den farblich besten Pollover des Abends, Lachs traf hier auf Aprikose, wir nennen es Lapriko.

Wenn Athleten aus dem Olymp in Stuttgart aufschlagen, muss das Essen mindestens von Zeus zubereitet werden. Zeus Außenstelle in Stuttgart heißt Cavos, die griechische Partytaverne zeichnete für die Häppchen verantwortlich und lieferte unter anderem mit Meeresfrüchtesalat, Rote-Beete-Scheibchen und griechischem Yogurt einen sicheren Drei-Satz-Sieg ab. Während des Turniers ist das Tatti übrigens die offizielle Kantine der Weißenhof-Spieler. Wer also schon immer mal einen Pastrami-Sandwich mit Roger Federer vespern wollte, kann ab Montag am Rotebühlplatz sein Glück versuchen. Unbedingt die Variante mit Essiggurke probieren.

Edwin Weindorfer pflegt sprachlich eine charmante Rückhand

Zurück zur Matchkritik der Auslosung: Die beste Performance zeigte neben dem Serviceteam Turnierdirektor Edwin Weindorfer. Sein österreichischer Dialekt ist eine Art sprachliche Rückhand-Slice. Mit viel Gefühl werden die harten Konsonanten kurz vor dem Gaumen zu sanften Buchstaberln: Aus Tommy Haas wird Dommy Haas, aus dem Turnier wird das Durnier und so weider, Pardon weiter. Frage an Weindorfer: „Kann es sein, dass die Topspieler nicht nur wegen des Geldes nach Stuttgart kommen, sondern auch wegen Ihnen als Steirer Charmegesamtpaket?“ – „Nein, die kommen, weil Sie bei uns auf Rasen spielen können und sich so perfekt auf Wimbledon vorbereiten können.“ Weindorfers Handy klingelt, Nummer unterdrückt. „Entschuldigung, da muss ich kurz ran, das könnte ein Spieler sein.“ Kurze Handypause. „So, Pardon, war kein Spieler, sondern Reuters.“ Die Agentur will auf dem Handydisplay also auch nicht erkannt werden.

Tommy Haas plauderte schließlich noch ein wenig über seine Zukunft als Turnierdirektor von Indian Wells und seinen Traum, als Spieler noch einmal eine Abschiedsrunde auf der Tennis-Tour hinlegen zu können. Am Freitag war bekannt geworden, dass Haas ab dem kommenden Jahr Chef des Turniers in Indian Wells sein wird, dem größten Turnier nach den vier Grand-Slam-Wettbewerben. In Stuttgart will er sich nun auf diese Aufgabe vorbereiten. „Ich werde die ganze Woche über hinter die Kulissen blicken. Edwin macht das schon sehr lange, da kann ich mir wertvolle Tipps abholen“, so Haas über Weindorfer, der nicht nur Stuttgarts Turnierdirektor ist, sondern auch sein Manager. „Wenn es so weitergeht, wird der Tommy bald mich managen“, scherzte Weindorfer über den Rollentausch mit seinem Schützling.

Tommy Haas würde gerne noch ein letztes Mal auf Tour gehen

Bevor der vom Tennisplatz ins operative Geschäft wechseln wird, möchte er allerdings noch ein letztes Mal auf einer Art privaten Abschiedstournee aufschlagen. „Mal sehen, was mein Körper zulässt. Ich brauche jetzt bestimmt sechs bis acht Wochen, bis mein Zeh wieder Training zulässt. Bis dahin ist natürlich die komplette Fitness weg.“ Haas war in den vergangenen Jahren oft von Verletzungen geplagt. „Daher ist es auch mental eine große Herausforderung, schon wieder die harten Wege für ein Comeback gehen zu müssen. Mal sehen, ob ich das noch einmal hinbekomme.“

Bis dahin genieße er es, bei einer Auslosung einmal ganz entspannt zu sein, da der eigene Name nicht in der Lostrommel zu finden ist. „Außerdem ist es toll, zuzusehen, wie die Topspieler heute spielen, wie sie sich bewegen.“ Auch da habe er kürzlich eine ganz neue Erkenntnis gehabt: „Als ich Novak Djokovic gegen Rafael Nadal in Indian Wells gesehen habe, wie die sich minutenlang die Bälle um die Ohren gehauen haben, dachte ich fast, ,Gott sei Dank, spiele ich nicht mehr’.“ Wobei es soweit ja noch gar nicht ist, denn: „Bei ein paar Turnieren in Deutschland auf dem Platz Tschüss sagen zu können wäre das Schönste, was ich mir vorstellen kann.“ Bis dahin schaut Haas aber nun die ganze Woche in Stuttgart nach dem Rechten.