Mit gerade einmal 18 Jahren ist Felix Auger-Aliassime auf dem Sprung in die Top-20 der Welt. Der Halbfinalist beim Stuttgarter Mercedes-Cup kann eine erstaunliche Parallele zu Roger Federer vorweisen.

Stuttgart - Der Siegergruß an die fast 5000 Zuschauer auf dem Stuttgarter Centre-Court ist ihm fast ein wenig unangenehm. Felix Auger-Aliassime weiß, dass ein Großteil der Fans auf dem Killesberg lieber den deutschen Dustin Brown im Halbfinale des mit 754 540 Euro dotierten Rasenturniers gesehen hätten. Zuvor hatte er sich zwei Stunden und 30 Minuten ein begeisterndes Viertelfinal-Duell mit Brown geliefert, aus dem er mit einem 7:6, 6:7, 7:6-Sieg hervorging.

 

Nervenstark und ausgeglichen

Nervenstark wie ein alter Hase präsentiert sich der gerade einmal 18 Jahre alte Kanadier in den Weissenhof-Tagen und zeigt, dass man sich auch bei seinem ersten Profiturnier auf Rasen in erster Linie auf sich und nicht auf den Gegner und schon gar nicht auf den Untergrund konzentrieren sollte.

Der Reihe nach sind die jungen Topfavoriten in dieser Woche beim Mercedes-Cup ausgeschieden. Aber wo es die Zverevs, Medvedevs oder Shapovalovs mit Gewalt und Emotion versuchten, nimmt der Teenager auch mal Tempo aus dem Ballwechsel und spielt ganz ruhig seinen Stiefel runter. „Das gibt es selten in diesem Alter“, zollt auch Gegner Brown Respekt. Selbst von einem gegnerischen Matchball oder der unkonventionellen Spielweise Browns – die am Vortag Topfavorit Alexander Zverev völlig aus dem Konzept brachte – lässt er sich am Freitag nicht beirren und steht dadurch im dritten Halbfinale seiner noch jungen Karriere.

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Wer aber ist dieser 18-Jährige, der sich in diesem Jahr von Weltranglistenposition 108 auf 21 nach vorne spielte?

Felix Auger-Aliassime wird im Jahr 2000 im kanadischen Montreal geboren, sein Vater Sam stammt aus Togo, Mutter Marie ist Lehrerin an einer Schule in Montreal. Die ersten Schritte auf dem Court macht er mit seinem Vater, dabei zeigt sich schon früh das außergewöhnliche Talent des Jugendlichen. Er holt sich sowohl den Einzel- (2016) als auch den Doppeltitel (2015) der Junior US Open. Auf der Challenger-Tour gewinnt er im zarten Alter von 14 Jahren sein erstes Match – und geht damit als jüngster Sieger in die Geschichtsbücher ein.

Idol und Trainingspartner: Roger Federer

Sein Idol? Roger Federer. Und mit dem Schweizer – der ihn auch schon zum gemeinsamen Training bat – verbinden ihn erstaunliche Parallelen: Beide wurden am 8. August geboren, und wie Federer erreichte er im Februar im Alter von 18 Jahren sein erstes Finale auf der ATP-Tour – das er wie der Maestro verlor. Noch heute erinnert er sich an das Training mit seinem Idol: „Es hilft, mit den besten Spieler zu trainieren, um zu spüren, wie sie spielen.“ Der Schweizer outete sich unlängst als Fan des Tennisjuwels: „Ich wusste, dass er auf dem Sprung nach oben war, aber hätte es nicht so schnell erwartet.“

Ein klein wenig hinkt der Vergleich mit dem großen Schweizer: Während Federer in jungen Jahren als Heißsporn galt, wirkt der 1,91 Meter große Aufschlagriese abgebrüht wie nur wenige in seinem Alter. „Ich habe keine Angst vor dem Verlieren“, sagt Auger-Aliassime. Offenbar auch keine Angst vor dem Gewinnen.

Wann kommt der erste Titel?

Auf die bisher ebenfalls noch gültige Federer-Parallele, erst mit 19 den ersten Titel auf der Tour zu gewinnen, würde der Kanadier gerne verzichten, betont aber: „Ich mache mir keinen Druck. Ich gewinne ein Turnier, wenn es an der Zeit ist.“ Sollte er in Stuttgart triumphieren, wäre er der jüngste Turnier-Sieger seit Andrei Medvedev 1992.

In Kollegen-Kreisen ist er beliebt. Mit seinem Landsmann Denis Shapovalov (20) verbindet ihn eine „Bromance“, wie der 18-Jährige sagt. Gemeinsam waren sie in Jugendzeiten im Doppel erfolgreich – heute reisen sie als beste Freunde um den Globus. Überhaupt mischen die Kanadier die Tenniswelt auf. In Milos Raonic, Halbfinalgegner von Auger-Aliassime, und den zwei Youngstern stehen derzeit drei Kanadier unter den Top-25 der Weltrangliste. Dafür nahm der kanadische Tennisverband viel Geld in die Hand und Alexander Zverev sagt nicht ohne Grund: „Kanada hat derzeit zwei heranwachsende Grand-Slam-Champions.“ Geradezu ins Schwärmen gerät er, wenn er über Auger-Aliassime spricht: „Ich freue mich sehr für ihn. Er ist einer der bescheidensten und nettesten Jungs, die ich kenne.“

Zverev schwärmt vom Kollegen

Das würde sich wohl auch nicht ändern, wenn er ab Sonntag von sich sagen kann, bei seinem ersten Titel jünger als Federer gewesen zu sein. Nur ein Handicap würde es dann zu lösen geben: Das Tennisjuwel hat keinen Führerschein. Großzügig wie er ist, sagt er aber mit einem Lächeln: „Das macht nichts. Meine Schwester könnte das Siegerauto fahren.“