Daimler gibt bei Elektroautos kräftig Gas, führt Brennstoffzellenautos aber nur in kleinen Schritten ein. Mercedes-Entwicklungschef Ola Källenius weist indes den Eindruck zurück, dass sich die Begeisterung für die Brennstoffzelle stark abgekühlt habe, weil die Reichweite von E-Autos immer größer wird.

Stuttgart - Daimler lehnt eine Nachrüstung der Hardware von Abgassystemen zwar weiter ab, will aber Unternehmen mit den erforderlichen Informationen unterstützen, die solche Nachrüstpakete in eigener Regie anbieten wollen, wie Daimler-Vorstand Ola Källenius ankündigt. Auf der Automesse IAA stehen bei dem Stuttgarter Konzern vor allem Fahrzeugstudien im Rampenlicht, die einen Ausblick auf das autonome Fahren und den Ausbau der alternativen Antriebe geben. Bei den Elektroautos will Daimler kräftig Gas geben, der Einstieg in den Markt für Brennstoffzellenautos erfolgt nach langem Anlauf dagegen eher in kleinen Schritten, wie Källenius erläutert.

 
Herr Källenius, Ihre erste IAA als Forschungs- und Entwicklungschef wird überschattet von der Dieselkrise und der Debatte über drohende Fahrverbote. Freuen Sie sich trotzdem auf die Messe?
Natürlich freue ich mich drauf. Frankfurt ist immer etwas ganz Besonderes. Das ist ja so eine Art Heimspiel für die deutsche Autoindustrie. Das wird sicherlich ein Highlight des Jahres.
Etliche Autohersteller wie etwa Nissan oder Tesla verzichten in diesem Jahr auf den Auftritt in Frankfurt. Verliert die Messe an Attraktivität?
Die IAA ist für uns nach wie vor eine sehr wichtige Messe. Wir gehen hier in diesem Jahr neue Wege. Wir nutzen die IAA wie gewohnt, um viele neue Produkte und Innovationen zu präsentieren, zugleich erweitern wir das Informationsangebot über das Auto hinaus. In Kooperation mit dem Veranstalter der alljährlich in Texas stattfindenden Konferenz South by Southwest geht in der Frankfurter Festhalle die erste „me convention“ über die Bühne. Dort wird der Blick in die Zukunft gerichtet: Welche Techniktrends gibt es, welche gesellschaftlichen Entwicklungen sind damit verbunden?
In der Debatte über den Diesel und drohende Fahrverbote fordern zahlreiche Politiker und auch das Kraftfahrzeuggewerbe, dass die Autohersteller nicht nur Software-Updates durchführen, sondern auch technische Nachrüstungen bei der Hardware vornehmen, um den Schadstoffausstoß zu senken. Muss Daimler da nicht nachlegen?
Wir haben beim Dieselgipfel in Berlin einen sehr wichtigen Schritt nach vorn gemacht. Über drei Millionen Fahrzeuge mit Euro 5 und Euro 6 erhalten ein Software-Update. Dafür können wir auch Erkenntnisse nutzen, die wir bei der Entwicklung unserer neuen Motorenfamilie gewonnen haben. Damit senken wir den Stickoxidausstoß im Durchschnitt aller Fahrzeuge um 25 bis 30 Prozent. Hinzu kommen Umtauschprämien für ältere Diesel. Zudem rollen wir unsere neue Motorengeneration schnellstmöglich aus. Auf den Vierzylinder in der E-Klasse folgt nun der Sechszylinder in der S-Klasse. All dies greift Hand in Hand und bringt erhebliche Verbesserungen im Rahmen des technisch Möglichen.
Es gibt jedoch etliche Gutachten, die zu dem Ergebnis kommen, dass all die von den Autobauern bisher angebotenen Maßnahmen die Gerichte nicht davon überzeugen werden, dass auf Fahrverbote verzichtet werden kann.
Ich möchte nicht über die Entscheidungen von Gerichten spekulieren. Wenn alle an einem Strang ziehen bin ich zuversichtlich, dass wir die NOx-Emissionen auch an viel befahrenen Straßen deutlich senken werden.
Im Ergebnisprotokoll des Dieselgipfels heißt es, dass die Autohersteller in einem zweiten Schritt prüfen werden, ob technische Nachrüstungen zu wirtschaftlich tragbaren Konditionen durchgeführt werden können.
Aus heutiger Sicht wäre der technische und wirtschaftliche Aufwand zur Hardware-Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen unverhältnismäßig hoch. Wenn man das richtig macht, wie es die Kunden von Mercedes-Benz gewohnt sind, muss man sehr stark in die Konstruktion des Fahrzeugs eingreifen. Man muss umfangreiche Tests durchführen und gegebenenfalls auch eine Neuzertifizierung vornehmen und darauf achten, dass auch die Langzeitqualität stimmt. Deshalb ist ein Software-Update die angemessene Maßnahme, die schnell und flächendeckend greift.
Es gibt aber Unternehmen wie etwa die Baumot-Gruppe, die behaupten, eine technische Nachrüstung wäre bei den meisten Dieselautos kostengünstig möglich. Die Baumot-Gruppe hat dies auch bei einem VW Passat vorgeführt.
Sollte ein Drittanbieter zusätzlich solch eine Maßnahme für Euro-5-Fahrzeuge anbieten, würden wir ihm die dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. Wenn er darin ein Geschäftsmodell sieht, kann er solch ein Nachrüstpaket in eigener Verantwortung verkaufen.
Wann werden denn die Software-Updates von Mercedes-Benz kommen?
Die ersten Updates kommen in den nächsten Wochen. Aufgrund der hohen Anzahl von Fahrzeugen und Varianten wird es aber eine längere Zeit dauern, bis wir die Updates für alle betroffenen Fahrzeuge verfügbar haben. Es geht jetzt also kurzfristig los und wir werden das intensiv und Schritt für Schritt abarbeiten.
Auf der IAA zeigen Sie als Zukunftsstudie einen Smart, der autonom unterwegs ist, den man per App bestellen kann und bei dem auf der gewählten Route dann auch ein zweiter Passagier zusteigen kann, wenn man nicht allein fahren will. Wann werden solche Roboterautos Realität im Stadtverkehr?
Wir werden in der nächsten Dekade solche autonomen Fahrzeuge anbieten. Es ist also nicht mehr weit weg.
In welchen Städten wird das starten? Ist auch Stuttgart als Pilotstadt dabei?
Wir haben noch nicht bekannt gegeben, in welchen Städten wir starten werden.
Welche Kriterien gibt es?
Sinnvoll ist eine Stadt mit einer kritischen Masse an Fahrzeugen, deren Straßennetz perfekt mithilfe des Kartenanbieters Here, an dem wir beteiligt sind, erfasst worden ist.
Welche Rolle spielen die klimatischen Verhältnisse? Und funktioniert es nur bei geordnetem Verkehr oder auch in asiatischen Städten, wo es auf den Straßen chaotisch zugeht?
Natürlich ist es einfacher, wenn die Wetterbedingungen so sind wie an einem schönen Sommertag. Rein technisch kann man auch eine Stadt mit anspruchsvolleren Verkehrsverhältnissen angehen. Über kurz oder lang werden wir jedoch alle wichtigen Städte in Angriff nehmen.
Werden zunächst nur Robotertaxis verkauft, oder wird der elektronische Chauffeur auch gleich für den Privatgebrauch kommen?
Am Anfang ist der technische Aufwand für autonome Fahrzeuge sehr hoch und damit auch teuer. Deshalb bietet sich als Geschäftsmodell zunächst das Robotaxi an, weil damit die Kosten des Fahrers eingespart werden können. Der nächste Schritt ist dann, die Kosten mit wachsenden Stückzahlen zu senken, damit der elektronische Chauffeur auch in einem privaten Mercedes-Benz zu attraktiven Preisen angeboten werden kann. Das wird aber noch eine ganze Zeit dauern.
Apropos lang dauern: Auf der IAA ist auch die Studie eines Brennstoffzellenautos zu sehen. Daimler hat den Start ja schon mehrfach verschoben und in Unternehmenskreisen ist zu hören, dass das Management eigentlich das Interesse daran verloren habe, weil die Reichweiten von Batterien immer größer werden.
Die Markteinführung unseres Brennstoffzellenautos ist im nächsten Jahr geplant. Wir haben mit dem GLC F-CELL Plug-in-Hybrid den nächsten Schritt gemacht. Die Brennstoffzelle ist nun leistungsfähiger, kompakter und kostengünstiger zu produzieren. Ich bin vor Kurzem mit einem Prototypen gefahren. Das Auto fährt wunderbar, und die Brennstoffzelle ist und bleibt eine interessante Technologie auf dem Weg zu null Emissionen.
Wie wird denn die Markteinführung der Brennstoffzellenautos aussehen?
Wir werden uns Städte, Regionen und Märkte aussuchen, wo solch ein Konzept am besten passt und wo auch ein Wasserstoff-Tankstellennetz vorhanden ist. Dort wollen wir zunächst lernen, das Kundenverhalten testen, um dann im nächsten Schritt mit mehr Autos und einer weiter verbesserten Technologie zu entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt ist, um in eine Großserienfertigung einzusteigen.
Das klingt nach einer sehr vorsichtigen Vorgehensweise, ganz anders als bei den Elektroautos.
Beide Technologien sind wichtig und bleiben im Rennen auf dem Weg zu null Emissionen. Wir haben aber entschieden, zunächst Elektroautos in großen Stückzahlen zu bringen. Wir haben den Hebel umgelegt und starten eine Offensive mit batterieelektrischen Autos.
Auf dem Pariser Autosalon haben Sie eine Geländewagenstudie als erstes Mitglied der neuen Elektroautofamilie mit dem Markennamen EQ vorgestellt. Dieses Auto soll 2019 auf den Markt kommen. In Frankfurt wird nun eine Studie aus der Kompaktklasse präsentiert. Ist das dann die Nummer zwei der neuen Elektroautos mit dem Familiennamen EQ, die auf den Markt kommen wird?
Das erste Modell, den Geländewagen EQC, haben wir konkret kommuniziert. Dass wir nun in Frankfurt mit dem Concept EQA ein Konzeptfahrzeug aus dem Kompaktsegment zeigen, heißt nicht, dass dieses als zweites Mitglied der EQ-Familie in Serie gehen wird. Fest steht: Bis Ende 2022 werden wir zehn batterieelektrische Modelle auf den Markt bringen. Lassen Sie sich überraschen!