Der deutsche Tennisspieler Michael Berrer befindet sich auf seiner Abschiedstour. Beim Mercedescup auf dem Weissenhof in Stuttgart will er noch einmal zeigen, was er kann.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Nach 16 Jahren auf der Tennistour hat sich der Stuttgarter Lokalmatador Michael Berrer, Spitzname „der Büffel“, dieses Privileg ganz gewiss verdient: Also guckten sich die Organisatoren des Mercedescups den durchaus flinken 100-Kilo-Mann aus Degerloch aus – und schickten ihn am Sonntagmittag um 13 Uhr gegen den Teenager Jan Choinski in das erste Rasenmatch, das auf dem Centre-Court des Weissenhofs jemals ausgespielt worden ist. Schließlich hat man anlässlich der 37. Auflage des Killesberger Tennisklassikers nach Dekaden auf Sand nun auf sattes Grün umgestellt.

 

Probleme mit der Eingewöhnung auf den schnellen Rasenbelag plagten Berrer dabei so gut wie keine. „Der Anfang war gut, das Ende ausbaufähig“, sagte die Nummer 145 der Welt nach dem glatten Zweisatzsieg über den 18 Jahre jungen Choinski mit 6:1, 7:6 (7:3) in der zweiten Runde der Qualifikation. In die war der 35-Jährige bereits am Samstag mit einem Dreisatzerfolg über den Kanadier Frank Dancevic gestartet.

Ein weiterer Erfolg an diesem Montag über Dustin Brown (11 Uhr/Centre-Court) fehlt jetzt noch, und der Linkshänder, der im Jahr 2013 gar im Viertelfinale von Stuttgart stand, wäre mal wieder ins Hauptfeld eines ATP-Turniers eingezogen. Mit Ausnahme der Australian Open hat Berrer, der Profi mit Sichtweite zur Weltspitze, das 2015 bei jedem Turnier geschafft. Über seinen nächsten Gegner, den 30-jährigen, aufschlagstarken Rastamann Brown aus Celle, sagt er allerdings respektvoll: „Der Dustin ist auf Rasen eine große Hausnummer.“

Der Heimschläfer aus Weilimdorf

Trotzdem rechnet sich der selbstbewusste Berrer, als ehemaliger Aktivensprecher quasi ein Gegenentwurf zum stromlinienförmigen Tennisprofi, Siegchancen aus. „Ich möchte schon noch ein paar Ausrufezeichen setzen“, sagt der in Weilimdorf geborene Heimschläfer. Auch, weil ihm dieser Tage die Frau und die beiden Kinder auf der Anlage des TC Weissenhof die Daumen drücken. Schließlich befindet sich der Hüne mit der starken Vorhand, der sich in turnierfreien Wochen im Kemnater Center „Top-Tennis“ seiner Trainer Louk und Kevin Sorensen die Wettkampfhärte holt, auf Abschiedstournee. Ein nächstes Mal auf dem Killesberg („Hier ist es besonders schön, denn man sieht so viele bekannte Gesichter“) wird es nicht geben.

Rein formal stehen für Berrer kurz vor dem Karriereende auf der ATP-Tour als große Höhepunkte zwei Finals im Einzel und ein Titel im Doppel zu Buche. „Das war sicher ein Highlight“, sagt er über den Erfolg mit Rainer Schüttler bei den BMW Open des Jahres 2008. „Doch am wichtigsten ist mir, dass ich jeden Tag das machen durfte, worauf ich richtig Lust habe: Tennis spielen“, sagt Berrer, der in der Weltrangliste ein paar Monate lang zu den besten 50 der Welt gehörte – und alles in allem 2,4 Millionen US-Dollar Preisgeld verdient hat. „Ich konnte meine Familie gut ernähren“, sagt der 35-Jährige, dem im Januar ein besonderer Coup gelang: Da besiegte er in Doha in der ersten Runde den Superstar Rafael Nadal in drei Sätzen. Gegen Roger Federer hat der Stuttgarter immerhin mal einen Satz gewonnen; obendrein spielte er auch auf dem Centre-Court von Wimbledon – und zwar „ganz in Weiß, weil ich das auf Rasen ausschließlich so mache. Denn das war im Tennis schon immer so.“

Das Privileg, Tennisprofi zu sein

In all den Jahren im Tourzirkus hat Berrer die Bodenhaftung behalten. „Ich bin gewiss nicht der beste Spieler der Welt – und sehe es daher als ein Privileg an, ein Tennisprofi zu sein“, sagt der Mann, für den nach den Australian Open im Januar 2016 Schluss sein soll, „weil es dann an der Zeit ist, dass etwas Neues kommt“. Seinen Bachelor im Fach Sportpsychologie hat der 1,93-Meter-Mann durch ein Fernstudium an der US-Universität Phoenix seit Februar in der Tasche – bis zum Masterabschluss ist es nicht mehr lange hin. Was er künftig machen will, möchte Berrer noch nicht verraten: „Man sollte über einige Dinge erst reden, wenn sie definitiv feststehen.“