Seit zehn Jahren gibt es die Gamescom in Köln. Für die Videospielindustrie ist Deutschland einer der wichtigsten Verkaufsmärkte. Bei der Entwicklung von neuen Titeln hat die Bundesrepublik aber noch großen Nachholbedarf.

Köln - Bunter als in dieser Augustwoche geht es in Köln wohl nur an Karneval zu. Wenn die Gamescom ihre Pforten öffnet, strömen nicht nur Hunderttausende Besucher auf das Messegelände in Köln-Deutz, um neue Videospiele zu testen. Zahlreiche kostümierte Rollenspieler, genannt Cosplayer, sorgen dafür, dass die sonst nur virtuellen Helden ein menschliches Gesicht bekommen. Mit ihren in mühevoller Handarbeit gestalteten Outfits und Accessoires sind die Rollenspieler echte Hingucker und zugleich ein beliebtes Selfie-Motiv für die Besucher.

 

Die diesjährige Gamescom ist die zehnte Auflage in Köln. Passend zum bunten Publikum steht die Messe in diesem Jahr unter dem Motto „Vielfalt gewinnt“. Mit rund 350 000 Besuchern ist die Gamescom inzwischen deutlich größer als die Frankfurter Buchmesse und hat noch Kapazitäten, um zu wachsen. Doch schon jetzt braucht jeder, der die Gamescom besucht, vor allem eines: Geduld. Vor vielen Messeständen bilden sich schier endlos lange Schlangen, wenn Branchengrößen wie Sony, Nintendo oder Electronic Arts ihre neuen Spielehighlights präsentieren. In diesem Jahr zählen dazu die Fußballsimulation „Fifa 19“, das Action-Adventure „Marvel’s Spider-Man“ oder der Weltkriegs-Egoshooter „Battlefield V“.

Lange Schlangen bei den Neuerscheinungen

Um die Spiele vor dem Verkaufsstart spielen zu können, nehmen die Besucher mehrere Stunden Wartezeit vor den Konsolen und Rechnern in Kauf. Erfahrene Gamescom-Besucher bringen deshalb gleich einen Campingstuhl mit und vertreiben sich die Zeit mit einem Spiel auf einer tragbaren Konsole oder dem Smartphone.

Die Besucherzahlen deuten es bereits an: Videospiele sind längst kein Nischenmarkt mehr. Mehr als drei Milliarden Euro setzte die Industrie nach Angaben des Verbands der deutschen Game-Branche 2017 um. Das ist mehr, als die Kino- (1,06 Milliarden Euro) und Musikbranche (1,588 Milliarden Euro) zusammen erwirtschafteten. Damit zählt Deutschland hinter den USA, Japan, Südkorea und China auf Platz fünf zu den wichtigsten Märkten für die Industrie. Doch während der Umsatz in der Bundesrepublik immer weiter wächst, sind Videospiele aus deutscher Entwicklung Mangelware. Nur etwa fünf Prozent der Spiele für Computer und Konsolen ist aus der Bundesrepublik.

Systematische Förderung in Kanada

Jens Kosche arbeitet für Electronic Arts (EA), einen der größten Entwickler der Branche, und weiß, warum Deutschland nur eine Außenseiterrolle einnimmt: „Die allermeistern Spiele kommen aus Ländern wie Kanada.“ Das Land hat vor zwanzig Jahren angefangen, den Spielebereich zu fördern, weil es erkannt hat, dass der eine Zukunftsindustrie ist. „Wir glauben, dass, wenn wir das in Deutschland einführen würden, auch die Umsätze durch Spiele aus Deutschland steiger würden“, sagt der Geschäftsführer von EA Deutschland.

Die Bundesregierung hat die Förderung der Spielbranche im Koalitionsvertrag festgehalten. Konkrete Auswirkungen hat das bislang aber noch nicht. Dorothee Bär (CSU), Staatsministerin für Digitales, die die Messe zusammen mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) eröffnete, versprach allerdings Besserung. Ab Herbst sei absehbar, wie viel Geld für Computerspiele im Bundeshaushalt eingeplant wird. Vor allem kleinere Studios sollen von der Förderung profitieren.

Auch der Südwesten ist vertreten

Dazu zählen auch diverse Firmen aus dem Südwesten. Baden-Württemberg zeigt sich in Köln unter anderem mit einem eigenen Messestand. Unternehmen aus Heidelberg, Karlsruhe, Kirchheim/Teck, Ludwigsburg und Stuttgart vertreten die Videospielszene am Stand von Games BW. Aus Stuttgart stammt das Spiel „The Longing“ von Studio Seufz. Das Team besteht nur aus dem Gamedesigner Anselm Pyta und dem Programmierer Stefan Michel. Seit vier Jahren arbeiten sie an dem Spiel, das im nächsten Jahr auf den Markt kommen soll.

Chasing Carrots sind Stuttgarts größter Spieleentwickler. Im Vergleich zu den Titeln von EA, Sony oder anderen Branchengrößen ist ihr Spiel „Good Company“ jedoch nur ein kleines Projekt, ein Independent-Spiel. Während es keine Seltenheit darstellt, dass die Blockbuster-Spiele einen dreistelligen Millionenbetrag in der Entwicklung verschlingen, arbeiten Patrick Wachowiak und seine sieben Kollegen mit einem Budget von weit unter einer Million Euro pro Titel. Dank eines Investors ist die Zukunft ihrer Arbeit aber gesichert.

Besucher können abstimmen

Zu der Messe gehört auch die Verleihung der Gamescom Awards. Erstmals wurden die Gewinner bereits am Dienstag bekannt gegeben. Bestes Sportspiel ist nach Meinung der Jury „Fifa 19“, während „Super Mario Party“ als bestes Familienspiel ausgezeichnet wurde. Die Aufbausimulation „Anno 1800“ räumte bei den PC-Titeln ab. Bis zum Freitag können auch die Besucher abstimmen und das beliebteste Spiel wählen, das mit dem „Most Wanted Consumer Award“ ausgezeichnet wird.

Zur Wahl stehen allerdings nur die Titel, die sich auch auf der Messe präsentieren. Dabei fehlen von den Fans lang erwartete Titel wie „Red Dead Redemption 2“ von Rockstar Games. Dies belegt, dass in Köln keine ganz großen Neuheiten zu sehen sind. „Die Gamescom ist eine eindeutige Besuchermesse. Man muss also hin, wenn man etwas erleben will“, sagt Patrik Schönfeldt vom Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler. Weltpremieren werden dagegen meist auf der E3 in Los Angeles präsentiert.