Olympia-Debütantin Laura Siegemund aus Metzingen steht im Tennis-Viertelfinale. Die Spielerin konnte ihr Glück nach dem Sieg gegen Kirsten Flipkens kaum fassen. Jetzt geht die märchenhafte Reise der 28-Jährigen ungebremst weiter.

Rio de Janeiro - Olympia-Debütantin Laura Siegemund konnte ihr Glück kaum fassen. Die märchenhafte Reise der charismatischen Tennisspielerin mit dem Psychologie-Diplom geht ungebremst weiter. „Viertelfinale - das hört sich bombig und genial an. Alles was jetzt noch kommt, ist ein Sahnehäubchen. Was nicht heißt, dass ich keine Sahnehäubchen mag“, sagte Siegemund nach dem 6:4, 6:3 gegen Kirsten Flipkens (Belgien).

 

Zwei Siege ist die 28-Jährige aus Metzingen nur noch von einer Medaille entfernt. Der Traum vom Gipfelsturm am Zuckerhut lebt, aber eigentlich will Spätzünderin Siegemund noch gar nicht an Edelmetall denken: „Das wäre eine Sackgasse. Ich bin entspannt und habe Spaß. Schon jetzt war das eine Riesenleistung.“ Siegemund hat nun auch große Chancen auf das Halbfinale, denn die nächste Gegnerin ist am Mittwoch überraschend Monica Puig. Die Weltranglisten-34. aus Puerto Rico schaltete French-Open-Siegerin Garbine Muguruza (Spanien/Nr. 3) mit 6:1, 6:1 aus.

Als letzter deutscher Tennisprofi hatte Tommy Haas vor 16 Jahren in Sydney in einem olympischen Halbfinale gestanden und letztlich Silber geholt. Die Weltranglisten-32. Siegemund zeigte gegen Flipkens (WTA-61.) keine Nerven und wurde ihrer Favoritenrolle gerecht. In einem unterhaltsamen Match suchte sie immer wieder den Weg ans Netz - und wurde für ihren Mut belohnt.

Der olympische Kreis der Besten

Flipkens hatte in der ersten Runde Sydney-Olympiasiegerin Venus Williams (USA) ausgeschaltet. Bundestrainerin Barbara Rittner war beeindruckt: „Ich habe Laura auf Hartplatz noch nie so gut spielen sehen. Sie strotzt vor positiver Energie, alles ist möglich“, lobte die 43-Jährige. Am Dienstagnachmittag Ortszeit hat Angelique Kerber die Chance, Siegemund ins Viertelfinale zu folgen. Zuletzt hatten 1992 in Steffi Graf und Anke Huber zwei deutsche Spielerinnen bei Olympia die Runde der letzten acht erreicht.

Siegemund und Olympia - es ist eine späte Liebe. Aber eine, die Feuer hat. „Wenn mir vor einiger Zeit jemand gesagt hätte, dass ich hier in Rio dabei bin, hätte ich es ihm nicht abgenommen. Ich hatte das nicht auf dem Schirm“, gesteht Siegemund. Aber sie weiß, dass sie hierher gehört, in den olympischen Kreis der Besten.

Siegemund, die als Teenager schon als neue Steffi Graf bezeichnet wurde, will so viel wie möglich mitnehmen von ihrem Olympia-Abenteuer. In jeder Beziehung. Nach ihrem Achtelfinaleinzug brachte sie einen norwegischen Volunteer in der Interview-Zone mit ihrem Charme dazu, ihr seine begehrte kleine Umhängetasche mit Rio-Logo zu überlassen. Auf den Kommentar, die bronzene Farbe des Beutels sei doch ein gutes Omen, meinte Siegemund mit einem Augenzwinkern: „Könnte auch Gold sein.“ Die Emotionen der Eröffnungsfeier im Maracana-Stadion haben ihr die erhoffte Lockerheit gebracht. Mit offenen Augen geht die lebensfrohe Frau mit den blonden Locken in diesen Tagen durch das Olympische Dorf. Die Atmosphäre in der riesigen Mensa gefällt Siegemund allerdings nicht: „Das ist nix fürs Auge, schade eigentlich.“

Vor vier Jahren hatte Siegemund ihre Karriere bereits beendet, begann ein Studium und machte ihren A-Trainerschein. Doch irgendwie „stolperte“ sie wieder zurück auf die Tour. Parallel schrieb die Schwäbin ihre Bachelor-Arbeit zum Thema „Versagen unter Druck“. Das Erlernte hilft der spektakulär agierenden Rechtshänderin. „Mittlerweile habe ich eine gute Weise, mit dem Druck klarzukommen“, sagt Siegemund.

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