Die Basketball-Bundesliga ist ein schnelllebiges Geschäft – besonders bei den MHP Riesen in Ludwigsburg, bei denen nur zwei Spieler aus dem Vorjahr noch im aktuellen Kader stehen.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ludwigsburg - Ab in den Kraftraum, das ist für Basketballer nichts besonderes. Aber wenn es Ludwigsburgs Trainer John Patrick in der Rundsporthalle noch schnell in das Gym zieht, locken keine Geräte, sondern der Sandsack: Boxen ist angesagt – besonders gerne mit Bogdan Radosavljevic. Der gebürtige Serbe war in seiner Jugend zwei Jahre im Verein aktiv. Das blitzt noch auf, wenn er zuschlägt. „Boxen ist gut für alles“, sagt der Center, der nicht gerade als pflegeleicht gilt. Doch auf den ersten Blick haben sich da zwei gesucht und gefunden.

 

Hoffentlich. Denn der Bundesligist muss auch in dieser Saison auf mannschaftliche Geschlossenheit setzen. Kein leichtes Unterfangen, von 18 Spielern sind nur zwei im Kader geblieben. Damit sind die Riesen schon mal Spitzenreiter (zusammen mit s. Oliver Würzburg). Ein fragwürdiger Rekord – oder einfach nur der ganz normale Wahnsinn im Basketball-Geschäft? Angebot und Nachfrage regeln den Markt. So gesehen ist es auch ein wenig der Fluch des Erfolgs (Dritter in der Liga, Final Four der Champions League), der zum erneuten Aderlass im Team führte – im Vorjahr blieben immerhin vier Mann. „Diesen Fluch nehme ich gerne in Kauf“, sagt der Vorsitzende Alexander Reil.

Meist lockt das Geld

Er macht das Dilemma deutlich, in dem der Verein steckt. Auf der einen Seite wollte man Spieler halten, konnte aber nicht: aus finanziellen Gründen haben Leistungsträger wie Thomas Walkup (zum Euroleague-Dritten Kaunas), Elgin Cook (nach Zagreb) oder auch Dwayne Evans (zum Ligarivalen Ulm) den Club verlassen; auf der anderen Seite wollte man sich auch vom einen oder anderen trennen; so konnten die deutschen Profis Florian Koch und Niklas Geske die Erwartungen nicht erfüllen. „Sie haben einfach zu schlecht verteidigt“, sagt der Defensivfanatiker Patrick.

Auf ein Neues also mit zehn Neuen, wobei noch ein Spielmacher dazu kommen soll. Zuletzt gab es schon regelmäßig ein freies Training mit den deutschen Spielern vor Ort, wobei sich Patrick angetan zeigte. „Ich bin begeistert, mit welcher Motivation die Jungs ans Werke gehen.“ Was das Team zu leisten vermag? Darauf lässt sich niemand festlegen: „Wir vertrauen dem Coach“, sagt David McCray. In seiner vierten Saison in Folge ist er das Urgestein.

Ligaweit als Vorbild dient in dieser Hinsicht aber Rickey Paulding. Der spielt seit elf Jahren in Oldenburg: „Klar gab es immer mal wieder Angebote von Vereinen, die mir mehr Geld geboten haben. Am Ende des Tages ist die Frage aber immer: Ist es das wert?“ Die Antwort lautet meistens – ja. So hätte Ludwigsburg gerne Nationalspieler Johannes Thiemann behalten, doch den zog es zu Alba Berlin. „Wir hatten Erfolg, und es hat ihm in Ludwigsburg angeblich gut gefallen“, sagt Reil: „Was also kann den Ausschlag geben – außer Geld?“

Patrick ist die einzige Konstante

Vielleicht eine neue Herausforderung – oder auch mal der Trainer. Wie John Patrick, die einzige Konstante bei den Riesen seit fünf Jahren. „Das war schon wichtig“, sagt Reil zur Vertragsverlängerung bis 2021, was auch nicht alltäglich ist in dieser Szene. Zumal sich der 50-Jährige inzwischen über die Grenzen einen guten Ruf erarbeitet hat, so wurde er zuletzt in der Champions League zum Trainer des Jahres gewählt. Der war auch für Radosavljevic mit ein Grund, nach Ludwigsburg zu wechseln, obwohl es Angebote aus dem Ausland gab. „Aber John Patrick hat gezeigt, dass er Spieler besser machen kann“, sagt 25-Jährige, der auch schon bei den Bayern und in Tübingen gespielt hat und als ungeschliffener Diamant gilt. Mal sehen, wie viel Karat Patrick aus dem Center rausholt.

Im besten Fall kann der junge Familienvater für Fans und Sponsoren zu einer Identifikationsfigur werden, wie Paulding in Oldenburg. „Er war und ist ein Glücksfall für uns“, sagt deren Geschäftsführer Hermann Schüller. Wobei er weiß: „Viele Agenten haben natürlich Interesse daran, Spieler zu verschiedenen Vereinen zu schicken. Die verdrehen damit manchem Profi den Kopf.“ Das ist ähnlich wie im Fußball, denn nur bei Wechseln dreht sich die Geldmaschinerie, zumal im Basketball Ablösesummen eher selten sind. Im Vergleich zur Handball-Bundesliga ist die Fluktuation in der BBL deutlich höher.

Handballer mit weniger Wechseln

Während die Riesen nur zwei Mann behalten haben, hat Handball-Nachbar TVB Stuttgart in dieser Saison zum Beispiel nur zwei neue Spieler geholt. Das sorgt zumindest in Sachen Identifikation für einen höheren Grad. Auch wenn dieser Punkt umstritten ist. Reil sagt: „Letztendlich ist es den Fans egal, wenn der Erfolg da ist.“ Wobei die Riesen in der vergangenen Saison, immerhin der besten der Vereinsgeschichte, einen Zuschauerrückgang von 15 Prozent hinnehmen mussten. Die permanenten Spielerwechsel könnten ein Indiz sein, kein Beweis, schließlich drohte bei fast 70 Pflichtspielen auch eine Übersättigung.

Dabei gibt es bei den Riesen nicht nur Wandervögel, sondern auch ambitionierte Nachwuchsspieler. Den besten Beweis liefert der Trainer selbst. Sohn Jacob feierte zuletzt sein Debüt im U-15-Nationalteam. Bis er bei den Profis eingreifen kann, dauert es noch, aber zumindest im Training mischt er schon mal mit. Unterm Korb, nicht im Ring.