Die Ludwigsburger Basketballer haben zehn Niederlagen in Folge kassiert – und bilden noch immer keine Einheit. Deshalb wird vor dem brisanten Derby an diesem Samstag in Ulm ein ganz bestimmter Spielertyp gesucht.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Basketball-Trainer müsste man sein, am besten in Ludwigsburg bei den MHP Riesen. Dem Bundesligisten, der wettbewerbsübergreifend seit zehn Spielen nicht mehr gewonnen hat. Und wo John Patrick dennoch nicht auf einem Schleudersitz hockt. „Der Trainer steht nicht zur Diskussion“, sagt der Vorsitzende Alexander Reil vor dem brisanten Derby an diesem Samstag (18 Uhr) bei Ratiopharm Ulm. Dort spielt inzwischen ein gewisser Bogdan Radosavljevic, so etwas wie der Königstransfer der Riesen zu Saisonbeginn. Wobei sich die Experten gleich gefragt hatten: Wie soll das gutgehen – mit zwei so Alphatierchen wie dem 2,13 Meter großen schlampigen Genie und dem Disziplinfanatiker Patrick?

 

Es ging nicht gut, schon nach sieben Spielen war Schluss mit lustig bei gerade einmal viereinhalb Minuten Einsatzzeit im Schnitt. Das sagt alles. Radosavljevic jedenfalls spielt seither in Ulm, und man muss kein Prophet sein, um zu wissen: Der ist heiß wie Frittenfett. Mal sehen, wer sich die Finger verbrennt.

Jede Menge Löscharbeiten

Bei den MHP Riesen jedenfalls gibt es jede Menge Löscharbeiten, nach der herausragenden Vorsaison (mit Platz drei) war eine Wiederholung zwar unwahrscheinlich, dass es aber so schlecht läuft, ebenfalls nicht vorhersehbar. Menetekel gab es schon: Das fing beim wichtigsten Baustein an, dem Kader. Patrick ließ sich viel Zeit bis die ersten Neuzugänge kamen und hatte dabei nicht immer ein glückliches Händchen. Hayden Dalton und Jeff Ledbetter mussten noch vor Saisonstart wieder gehen, genau wie Lamont Jones, der inzwischen begnadigt und gewissermaßen über den zweiten Bildungsweg zurückgeholt wurde. „Er hat individuell viel an sich gearbeitet“, rechtfertigte Patrick die ungewöhnliche Aktion. Daneben fiel der nicht gerade mit mangelndem Selbstbewusstsein auftretende Radosavljevic durchs Raster – weitere Akteure könnten folgen. Weil die Riesen acht Ausländer haben, aber nur sechs spielen dürfen – das ist totes Kapital.

Reil stellt Trainer nicht in Frage

Dabei hat es sich der Verein unter Reil zur Aufgabe gemacht, seriös und auch schwäbisch sparsam zu wirtschaften, um den Fünf-Millionen-Etat zu stemmen. Der hat sich in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt erhöht, nachdem Patrick den Abstiegskandidaten fünfmal nacheinander in die Play-offs (bis ins Halbfinale) und im Mai sogar ins Final Four der Champions League geführt hatte, was ihn dort zum Trainer der Saison machte. „Es ist – mit unserem Etat – durchaus normal, auch mal im Mittelfeld zu landen“, sagt Patrick. Und Reil betont: „Ich stelle eine Entwicklung über die letzten Jahre, die eng mit einer Person in Verbindung steht, nicht nach zweieinhalb Monaten in Frage.“

Zumindest haben die Meriten des Trainers einen anderen Stellenwert als im schnelllebigen Fußball-Geschäft. Bei Patrick, Vertrag bis 2021, kommt hinzu, dass er Wert auf aggressive Spieler legt, die seine Philosophie vom Pressing übers gesamte Spielfeld („40 Minuten durch die Hölle“) im Blut haben. Ein Wechsel in der Saison gestaltet sich da schwierig. Allerdings ist eben diese in der Liga und selbst Europa gefürchtete Defensive bisher längst nicht so ausgereift wie in der Vergangenheit, was mit ein Grund für die Krise darstellt.

Leitfigur fehlt

Erste Risse bei den Riesen. Hinzu kommt, dass in der so genannten Crunch-Time, also den letzten entscheidenden Minuten, bisher eine Leitfigur gefehlt hat, die Ruhe bewahrt, aber auch Verantwortung übernimmt. Der kleine, quirlige (und talentierte) Jordon Crawford ist da etwas überfordert, während der weit gereiste Profi Trevor Embakwe (29) in dieser Hinsicht bisher eher enttäuscht. „Wir kennen die Probleme und suchen noch einen soliden Leader“, sagt Reil. „Das ganze ist für uns mit elf Neuzugängen ein Lernprozess“, betont Patrick immer wieder. „Aber irgendwann platzt der Knoten.“

Genau das hat Gegner Ulm – nach neun Niederlagen zum Start – geschafft und zuletzt drei Siege eingefahren, am Mittwoch gegen den europäischen Spitzenclub Roter Stern Belgrad. „Es war defensiv und offensiv unser bestes Spiel in dieser Saison“, sagte Ulms Trainer Thorsten Leibenath zu dem neu gewonnen Selbstbewusstsein.

Ruf nach Mentaltrainer

Das fehlt den Riesen – und sinkt mit jeder Niederlage, so dass einige Fans schon den Ruf nach einem Mentaltrainer geäußert haben. Ob’s hilft? John Patrick gilt auch bei der Auswahl seiner Mitarbeiter durchaus als eigen. In der Vorsaison erlebte sein Assistent Stephan Völkel zumindest Weihnachten, dieses Jahr scheint nicht einmal das sicher. Der im Sommer geholte Hamed Attarbashi fehlt seit Wochen auf der Bank. Offiziell ist er krankgeschrieben, seine Zukunft offen. So viel zu dem sicheren Trainerstuhl in der MHP-Arena.