Sie ist die Frau, die für Michael Schumacher spricht: Sabine Kehm, seit vielen Jahren seine Vertraute und Managerin. Auf sie sind in diesen Tagen die Mikrofone und Kameras der Weltpresse gerichtet.

Grenoble - Den schwersten Unfall von Michael Schumacher auf der Rennstrecke verarbeitet Sabine Kehm als Journalistin. Im Herbst 1999 bittet sie für die „Süddeutsche Zeitung“ um ein Interview – im Wissen, wie viel Aufsehen die Worte des von einem doppelten Beinbruch genesenen Formel-1-Stars machen würden. Als Antwort bekam sie erst einen Anruf und dann ein Angebot aus Stuttgart-Degerloch, vom damaligen Schumacher-Manager Willi Weber: Ob sie sich vorstellen könne, als Schumi-Sprecherin zu arbeiten. Nach kurzem Überlegen, auch Zögern, konnte sie.

 

Heute steht sie da, wo der Komapatient Michael Schumacher nach einem Skiunfall um sein Leben kämpft, vor dem Klinikum in Grenoble, um der Hundertschaft von Reportern und Kameraleuten jene Bulletins zu geben, die in alle Welt gehen. Längst hat sie Weber als Manager abgelöst. In diesen dramatischen Stunden zeigt sich wieder, dass Schumacher der größte Star des deutschen Sports ist, immer noch. Und es zeigt sich, wie wichtig Kehm für Schumacher und dessen Familie ist. Sie denkt, sie lenkt, sie schützt. Und erlangt selbst eine Prominenz, auf die sie gut verzichten kann. „Neueste Meldung“ vom Boulevard gestern: „11.25 Uhr – Kehm in der Klinik“.

Emotionen zeigt sie nur, wenn es um die Familie geht

Der 49-Jährigen, die in Franken aufgewachsen ist, in Köln studiert und in Berlin und Frankfurt gelebt hat, ehe sie an den Genfer See umgezogen ist, sind die Strapazen der letzten Tage und Nächte anzusehen. Vor den Kameras aber lässt sie sich wenig anmerken. Emotionen zeigt sie nur, wenn es um die seelischen Zustand der Familie geht und um die Auswüchse der Medien – etwa, wenn sich ein als Priester verkleideter Sensationsjäger auf die Intensivstation schmuggeln will.

Frontfrau zu sein, dass kennt sie aus ihrem ersten Leben als Reporterin – von der anderen Seite. Die These ihres ersten eigenen Stücks über den Rennfahrer lautete: „Wenn die Formel 1 das Universum ist, ist Michael Schumacher die Sonne.“ Es war eine sehr kritische Auseinandersetzung mit dem Menschen und der Szene. Diese Erfahrung und dieses Wissen haben ihr auf dem nicht immer einfachen Weg mit Schumacher im Haifischbecken Formel 1 geholfen. Denn der Mann, der den modernen Rennsport definiert hat, hat auch polarisiert wie kein anderer. Sie war dabei Vermittlerin, nicht Verhinderin.

Sie hat ihm nie geraten, sich zu verbiegen

Sie gehört zu den wenigen, die die privaten Seiten des Idols kennt, über die Floskel hinaus, dass dieser eine ehrliche Haut sei. Wie der ist? Viel weicher, ganz anders. Wie denn nun genau? „Privatsache.“ Nur soviel: „Im Grunde ist er schüchtern. Ein nachdenklicher, intelligenter Kerl.“ Natürlich ist sie parteiisch geworden über die Jahre. Eins hat sie nie getan: ihm geraten, sich zu verbiegen. Sie hat korrigiert, beeinflusst, beraten. Und sich damit Objektivität bewahrt. Ein Balanceakt, aber ein geglückter.

Zwischen Kehm und ihrem Klienten herrscht eine klare Geschäftsbeziehung, vor allem aber ein Vertrauensverhältnis. Bei öffentlichen Terminen reichte der gegenseitige Augenkontakt, um klarzumachen, was gesagt werden soll und was nicht. In der Frage, was die Öffentlichkeit von den beiden Kindern Gina-Maria und Mick erfahren soll, brauchte es keinerlei Konsens: Kein Thema, und wer dennoch darüber berichtet oder spekuliert, bekommt umgehend Post vom Anwalt.

Er vertraut bedingungslos auf ihr Können

Ein Großteil von Schumachers sportlichem Erfolg basierte auf der Fähigkeit, ein Team bilden zu können. An der Rennstrecke, im Privaten. Er verlässt sich auf seine Intuition, und wenn er einmal Vertrauen zu jemand gefasst hat, auch bedingungslos auf dessen Können. Sabine Kehm hat immer großen Wert darauf gelegt, nicht die Frau an seiner Seite zu sein: „Das ist Corinna.“ Rein beruflich war sie es dann doch, auch nach seinem Rücktritt. Inzwischen kennen sich die beiden 20 Jahre. Und Sabine Kehm dachte, in dieser Zeit schon alle schwierigen Situationen erlebt zu haben.

Deshalb hat er 2010, zu seinem Comeback mit Mercedes, den Entschluss gefasst, alles Geschäftliche selbst in die Hand zu nehmen und sein Management Sabine Kehm zu übertragen. Eine ungewöhnliche Entscheidung in der Männerdomäne Formel 1, aber für ihn die richtige. Von dort kam in diesen Tagen die gemeinsame Grußkarte: „Mögen Eure Träume fliegen . . .“