Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels fordert mehr Geld für Ausrüstung und Personal. Im Verteidigungsministerium rennt er damit offene Türen ein.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Die zweieinhalb Jahrzehnte währende Sparpolitik bei der Bundeswehr hat Begleiterscheinungen, die niemand wollte. Das kann heute eigentlich niemanden mehr überraschen. Zu vielfältig waren schon in den vergangenen Jahren die Berichte über Lücken, Mängel und Ausrüstungsprobleme bei der Truppe. Es ist dennoch ein Verdienst des neuen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels, dass sein erster Jahresbericht den Finger gerade dort in die Wunde legt, wo es am schmerzhaftesten ist.

 

Da ist zum Beispiel die besonders schnelle „Speerspitze“ der Nato, die die westliche Allianz nach der Krim-Annexion durch Russland geschaffen hat, um die Ostflanke des Bündnisgebiets schützen zu können. Deutschland – und nicht zuletzt seine Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen – ist stolz darauf, einen wesentlichen Teil dieser besonders schnellen Eingreiftruppe zu stellen. Doch das Panzergrenadierbataillon 371, das den Auftrag übernommen hat, musste sich ausweislich von Bartels Bericht sage und schreibe 15 000 Ausrüstungsgegenstände bei 56 (!) anderen Bundeswehreinheiten ausleihen, um seinen Auftrag überhaupt erfüllen zu können. Das verleiht dem Etikett „auf Kante genäht“, das für die Ausrüstung der Bundeswehr seit Langem kursiert, noch einmal eine neue Dimension. Wenn die deutsche Bündnisfähigkeit insgesamt von dieser Qualität ist, dann ist das kaum dazu angetan, die Partner zu beeindrucken oder potenzielle Gegner abzuschrecken.

Vom Panzer bis zur Schutzweste wird alles benötigt

Auch wenn der deutsche Teil der Speerspitze nach der groß angelegten truppeninternen Leihaktion damit einsatzfähig ist, bleibt ein schwacher Trost, denn der Übungsbetrieb in den 56 Verbänden, die ihre Gerätschaften verleihen mussten, wird dadurch „erheblich erschwert, beziehungsweise kommt zum Erliegen“. So steht es jedenfalls in Bartels Bericht.

Bei der Präsentation seines Berichts macht der Wehrbeauftragte klar, dass das keineswegs ein Einzelfall ist. „ Es ist von allem zu wenig da“, konstatiert Bartels und fordert ein Ende der Mangelwirtschaft bei der Truppe. 2016 müsse zum „Wendepunkt für die Bundeswehr“ werden, fordert Bartels. „Wenn es mit der Wiederherstellung einer Grundfähigkeit zur kollektiven Verteidigung in Europa ernst gemeint ist, dann braucht die Bundeswehr in ihrer heutigen personellen Sollgröße jedenfalls eine materielle Vollausstattung vom Panzer bis zur Schutzweste.“

Mehr Auslandseinsätze, wichtigere Bündnisverteidigung

Bartels Kritik an der Ausstattung ist offenbar Wasser auf den Mühlen der Planer und Strategen im Verteidigungsministerium. Fast zeitgleich mit seiner Pressekonferenz sickerte durch, das Ursula von der Leyen der Bundeswehr langfristig einen ziemlich großen Schluck aus der Pulle verschaffen will. 130 Milliarden müssten in den nächsten 15 Jahren in die Ausrüstung der Soldaten fließen, damit die Truppe alle ihre Aufgaben erfüllen kann – so haben es die Experten des Verteidigungsministeriums errechnet.

Begründet wird die Kehrtwende in der Finanzplanung damit, dass die Landes- und Bündnisverteidigung neben den Auslandseinsätzen in den vergangenen Jahren wieder einen wesentlich größeren Stellenwert erhalten habe, als ihr nach dem Ende des Kalten Krieges in den neunziger Jahren beigemessen wurde. Deshalb sei die Sparpolitik, die sich von einer „Obergrenze“ zur nächsten heruntergehangelt habe, an ihr Ende gekommen. Langfristig müsse der Rüstungsetat deutlich steigen – geschehe dies nicht, müsse das Auftragspaket der Truppe verkleinert werden.