Minette Walters ist wieder da und hat mit „Die letzte Stunde“ einen historischen Roman geschrieben. Das hätte sie mal besser gelassen, meint Killer&Co-Rezensent Lukas Jenkner.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Da hüpft das Krimiherz im Leibe: Minette Walters, die in den 1990er Jahren moderne Krimi-Klassiker wie „Im Eishaus“ und „Wellenbrecher“ geschrieben hat, ist zurück – mit ihrem ersten historischen Roman. Der Krimifan denkt an „Der Name der Rose“ und: Was kann da schon schief gehen?

 

Rund 650 Seiten später bleibt das ernüchternde Fazit: eine ganze Menge. Walters’ neuer Roman „Die letzte Stunde“ beginnt einigermaßen verheißungsvoll im Juli 1348 in der kleinen englischen Grafschaft Dorseteshire. Nicht nur Geschichtsbeflissene kennen das Jahr: 1348 beginnt die Pest in Europa zu wüten, der bis 1353 rund die Hälfte der Bevölkerung des Kontinents zum Opfer fällt. Auch in Dorseteshire breitet sich die Seuche mit rasender Geschwindigkeit aus, ganze Dörfer sind innerhalb weniger Wochen entvölkert.

Nur Lady Anne, im Kloster erzogen und in der Heilkunde unterwiesen, macht das Dorf Develish zu einem Hort der Gesunden und der Sicherheit. Sie riegelt den Ort ab, nicht einmal ihr Ehemann, der von einer Reise zurückkehrt, darf hinein und verreckt samt Entourage elendig am Schwarzen Tod. Doch der Alltag in Develish ist nicht frei von Spannungen und Intrigen. Englische Leibeigene und normannische Herren reiben sich aneinander, und Lady Annes herrisch-tobsüchtige Tochter sorgt für jede Menge Kalamitäten. Als ob all das noch nicht reichen würde, geschieht eines Nachts in der Kirche des Dorfes ein Mord...

Jede Menge Potenzial verschenkt

Zu Anfang entwirft Minette Walters das Panoroma für einen waschechten Mittelalterkrimi. Doch was halbwegs spannend beginnt, flacht von Seite zu Seite immer mehr ab. Aus dem Krimi wird der Überlebenskampf einer kleinen Schar ehemaliger Leibeigener, die nach der Pestseuche die lang ersehnte Freiheit wittern, von Walters garniert mit allerlei geschichtlichen Hintergründen aus dem Alltagsleben des Mittelalters. Aber das ist leider alles andere als spannend. Die Auflösung der Mordgeschichte am Ende macht da schon fast unzufrieden angesichts des Potenzials, das Walters dabei verschenkt hat.

Am ehesten taugt „Die letzte Stunde“ wohl als jugendfreie Version von „Game of Thrones“ und damit vor allem für ein jüngeres Publikum – übrigens mit einer Option auf eine Fortsetzung. Aber anspruchsvolle Leser sowohl von Krimis als auch von historischen Romanen sollten lieber Walters’ frühe Pageturner aus dem Regal nehmen – oder eben wieder „Der Name der Rose“.

Minette Walters: Die letzte Stunde. Historischer Roman. Aus dem Englischen von Sabine Lohmann, Peter Pfaffinger. Heyne Verlag München 2018. Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 656 Seiten, 22 Euro. Auch als E-Book, 17,99 Euro, und als Hörbuch, 14,95 Euro.