Wer im Stuttgarter Wald Hilfe braucht, findet nicht überall Rettungspunkte zur Orientierung. Auf Flächen, die dem Land gehören, fehlen sie. In der Regierung ist man sich nicht einig.

Der Streit über die Sicherheit im Stuttgarter Wald wächst sich langsam zur Posse aus. Während sich bisher schon die Stadtverwaltung und das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz nicht einig waren, kommen jetzt auch noch überraschende Aussagen vom Innenministerium. Und die Verwirrung scheint komplett.

 

Bundesweit sind an vielen Zugängen oder zentralen Stellen im Wald Rettungspunkte eingerichtet. In Baden-Württemberg gibt es 7000. Die meisten davon sind auch beschildert. Sie dienten ursprünglich dazu, um in der Waldarbeit verletzte Personen aufzufinden und den Transport vom Unfallort ins Krankenhaus so zügig wie möglich zu gewährleisten. Doch nicht nur die Forstwirtschaft nutzt die Punkte. Auch andere Verletzte oder Helfer können sich daran orientieren, denn die Hilfe oder Ortung über Handy funktioniert nicht immer und ist im Wald häufig ungenau.

Dafür müssen die Punkte allerdings beschildert und mit einer Nummer versehen sein. In Stuttgart herrscht an dieser Stelle großes Durcheinander. Denn wenn man hier verunglückt und Orientierung braucht, hat man in manchen Gegenden schlicht Pech. Nur 53 Prozent der insgesamt 5000 Hektar Stuttgarter Wald gehören der Stadt. Etwa 37 Prozent gehören dem Land Baden-Württemberg, zehn Prozent sind in Privatbesitz – dazu zählt auch der Stiftungswald Esslingen. Die Stuttgarter und Esslinger Anteile sind mit 43 Tafeln versehen. Weitere 20, die für den Landesteil festgelegt sind, fehlen.

Der zuständige Minister Peter Hauk (CDU) hat dem Stuttgarter FDP-Landtagsabgeordneten Friedrich Haag, der die Situation bemängelt, jüngst Erstaunliches mitgeteilt. Zwar hätten die forstlichen Rettungspunkte „seit Jahren für alle Aktivitäten im Land an Bedeutung gewonnen“ und würden auch zunehmend ausgeschildert. In Stuttgart plane man das aber nicht, denn Schilder seien teuer und eigentlich doch auch überholt.

26 Einsätze in den vergangenen Jahren

Bei der Stadt sieht man das anders. „Im Erholungswald sind für Laien erkennbare Rettungspunkte eine gute Möglichkeit, dass verletzten Erholungssuchenden rasch geholfen werden kann“, sagt eine Sprecherin. Haag hat nun auch Zahlen dazu bekommen. Und zwar vom für Rettungsthemen zuständigen Innenministerium. Demnach hat es im Stuttgarter Wald seit 2019 insgesamt 26 Einsätze von Rettungsdienst und Feuerwehr gegeben, bei denen ein Rettungspunkt als Anfahradresse genannt worden ist – Tendenz steigend.

Das Innenministerium kommt dementsprechend zu einer Einordnung. „Das landesweite Netz der forstlichen Rettungspunkte kann bei Notfallsituationen im Wald dazu beitragen, schnellstmögliche Hilfe leisten zu können“, schreibt Innenminister Thomas Strobl (CDU). Um dann relativierend auf Apps und Handy-Ortung hinzuweisen und zu schließen: „Eine flächendeckende Beschilderung wäre hierzu eine Ergänzung.“

Scharfe Kritik an Uneinigkeit

Haag reagiert auf die Schreiben der beiden Ministerien mit Kopfschütteln. „Die Antwort des Innenministers auf meinen Brief steht wieder einmal sinnbildlich für diese Landesregierung: Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut, und umgekehrt“, sagt er. Während der Minister für Ländlichen Raum die Rettungspunkte im Wald zur Seite kehre, spreche sich der Innenminister für die Beschilderung im Wald aus. „Die Landesregierung sollte sich hier einig werden und erkennen, dass ein flächendeckendes Rettungspunkte-Netz vor Ort Leben retten kann“, so der FDP-Abgeordnete.

Die angeführten Kosten lässt Haag nicht gelten. Sie lägen nach Angaben des Ministeriums für Ländlichen Raum pro Schild bei mindestens 100 Euro für das Material, dazu kämen Arbeitsaufwand und Unterhaltungskosten. Macht bei 20 fehlenden Schildern rund 2000 Euro plus die Arbeitszeit. Eigentlich kein großer Betrag, gerade im Vergleich zu manch anderer Maßnahme. Es schockiere ihn, sagt Haag, „dass der Landesregierung die Umsiedlung jeder Eidechse mehr wert zu sein scheint als die Sicherheit der Menschen, die die Naherholungsgebiete in Stuttgart gerne nutzen“.