Trotz des Neutralitätsgebots hat das Landgericht Stuttgart eine Einladung zum Liberalen-Treffen verbreitet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Das Rundschreiben aus dem Justizministerium ging an die Chefs sämtlicher Gerichte und Staatsanwaltschaften. Eindringlich erinnerte der Amtschef von Minister Ulrich Goll (FDP), der CDU-Mann Michael Steindorfner, an das "unverzichtbare Gebot der Einhaltung parteipolitischer Neutralität" vor der Landtagswahl. So dürften etwa Wahlprospekte oder Einladungen einer Partei nicht über die Geschäftsleitung von Justizbehörden an die Bediensteten verteilt werden.

Einer der Empfänger war das Landgericht Stuttgart, doch Steindorfners Mahnung hatte dort offenbar nicht viel Eindruck hinterlassen. Ende Januar jedenfalls landete bei der Gerichtsverwaltung eine Einladung der Landtags-FDP. Die Fraktion bat zu einem Podiumsgespräch über das neue Sorge- und Unterhaltsrecht (Motto: "Wenn die Liebe endet...") in das Parlamentsfoyer, mit prominenter Besetzung: Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sollte die Gäste begrüßen, Minister Goll das Impulsreferat halten, der FDP-Abgeordnete Hans-Peter Wetzel mitdiskutieren.

Eine Partei will über die Justiz einladen - da hätte eigentlich erhöhte Sensibilität herrschen müssen. Doch das Landgericht leitete das Fraktionsschreiben anstandslos an die Amtsgerichte weiter, die es wiederum ihren Richtern übermittelten. Verbunden war die Rundmail mit einem Hinweis, der den Termin als beinahe dienstlich erscheinen ließ: Die Kosten für eine Teilnahme könnten "nicht aus den Mitteln des Fortbildungspools beim Landgericht Stuttgart erstattet werden".

Mancher war doch sehr verwundert


Mancher Empfänger immerhin erinnerte sich an das Neutralitätsgebot und wunderte sich. Die Verwunderung drang zur StZ, die wiederum beim Justizministerium nachfragte. Bis dahin sei " der Vorgang...nicht bekannt" gewesen, antwortete der Pressesprecher, man werde der Sache nun nachgehen. Falls nötig, werde das Landgericht nochmals auf die parteipolitische Neutralität hingewiesen.

Das Ergebnis der internen Prüfung durch den Gerichtspräsidenten Franz Steinle: Eine für Fortbildung zuständige Referentin habe veranlasst, dass die Einladung "zur Information an die Amtsgerichte" gesandt werde. Nach Inhalt und Besetzung des Podiums - auch mit dem Familienrechtsexperten und Exgerichtschef Helmut Borth - sei sie "von einer fachspezifischen Veranstaltung ausgegangen". Um künftigen Missverständnissen vorzubeugen, meldete Steinle ans Ministerium, habe er "veranlasst, dass Schreiben von Parteien mir unmittelbar vorgelegt werden".

Auch der Sprecher Golls betonte, beim Foyer Liberal handele es sich um eine Reihe von fachlichen Veranstaltungen, die in regelmäßigen Abständen stattfänden. Trotz der terminlichen Nähe habe der Abend zum Familienrecht "keinen unmittelbaren Bezug zum Wahlkampf". Doch zumindest Fraktionschef Rülke nutzte seinen Auftritt, um unverhohlen für die FDP zu werben. Die Rechtspolitik, lobte er ausweislich der Presseerklärung, sei "eine der Kernkompetenzen der Liberalen".