Zwei Opfer aus den Heimen der Brüdergemeinde sind für ihre Kritik am laufenden Prozess wohl abgestraft worden. Zudem zieht nach der Ex-Ministerin Katrin Altpeter ein zweites Mitglied der Vergabekommission zurück.

Korntal-Münchingen - Glaubt man den Teilnehmern, muss es bei der jüngsten Sitzung zur Aufarbeitung des Korntaler Missbrauchsskandals sehr emotional zugegangen sein. Zwei bisherigen Mitgliedern der Projektgruppe wurde am Dienstagabend in Stuttgart offenbar das Vertrauen für die Zusammenarbeit entzogen. Sie seien aufgefordert worden, die Sitzung zu verlassen, erzählt das Heimopfer Michael Spreng. Zudem hat nach der ehemaligen Sozialministerin Katrin Altpeter ein zweites Mitglied der geplanten Vergabekommission seinen Rückzug aus diesem Gremium erklärt.

 

Vielfache Formen von Gewalt werden untersucht

In den Kinderheimen der evangelischen Brüdergemeinde Korntal war es seit den 1950er Jahren zu Gewalt bis hin zu Vergewaltigungen gekommen. Die Vorfälle werden derzeit unter wissenschaftlicher Leitung aufgearbeitet. Eine Projektgruppe aus Vertretern der Opfer und der Brüdergemeinde gestalten unter der Leitung der Moderatoren Elisabeth Rohr und Gerd Bauz den Aufarbeitungsprozess. Die Projektgruppe soll auch eine Vergabekommission einsetzen, die die Höhe der Entschädigung festlegt.

Sowohl Michael Spreng als auch Angelika Bandle, ebenfalls ein Heimopfer, kritisieren die Aufarbeitung als weder neutral noch allparteilich. Sie fordern eine „objektive und unvoreingenommene Aufarbeitung“, die ihrer Meinung nach unter der Leitung von Rohr und Bauz nicht gegeben sei. Für entsprechende Äußerungen in der Projektgruppe vor zwei Wochen seien sie nun vor allem von Rohr heftig angegangen worden, erzählt Spreng. „Sie hat mich so gedemütigt, ich bin das dritte Mal vergewaltigt worden“, sagt er am Tag danach noch hörbar angeschlagen. Sie hätten in der Projektgruppe bleiben dürfen unter Bedingungen, die er nicht mittragen könne. So hätten sie kein Stimmrecht in der Gruppe haben und wesentliche Informationen nicht mehr erhalten sollen. „Wir hätten nur noch wie Wackeldackel alles abnicken sollen.“

Die Moderatoren äußerten sich nicht auf eine entsprechende Anfrage dieser Zeitung. Die Brüdergemeinde verwies auf nun anstehende interne Beratungen.

Unzufrieden mit der Aufarbeitung

Spreng und Bandle gehören zu einer Gruppe von – ihren Angaben zufolge – rund 15 Betroffenen, die mit der Aufarbeitung unzufrieden sind. Die Betroffenen werfen vor allem Elisabeth Rohr eine zu große Nähe zur Brüdergemeinde vor. Zudem verwahren sie sich gegen den Vorwurf, mit Detlev Zander gegen die Projektgruppe zu agieren. „Sie stecken uns in eine Gruppe. Ich will nichts mit Detlev Zander zu tun haben“, sagt Spreng. Zander war 2014 als erster in die Öffentlichkeit gegangen. Die Betroffenen hatten zunächst kooperiert, sich dann aber zerstritten. Zander will der Projektgruppe aus Protest nicht angehören.

Die Projektgruppe sollte sich am Dienstag eigentlich mit dem weiteren Verlauf der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals bei der evangelischen Brüdergemeinde Korntal befassen. Doch im Fokus stand neben dem Ärger in der Projektgruppe auch der Rückzug von zwei der vier Mitglieder der Vergabekommission. Nach der ehemaligen Landessozialministerin Altpeter hat bei der Sitzung in Stuttgart auch Helmut Elsässer erklärt, dem Gremium nicht angehören zu wollen. Zu seinen Gründen will sich der Psychoanalytiker und Traumatherapeut mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Sitzung nicht äußern.

Altpeters Rückzug war vor wenigen Tagen bekannt geworden. Sie hatte das Verfahren als intransparent kritisiert. In ihrer Zeit als Ministerin hatte sie sich für eine Aufarbeitung des Geschehens in der Heimerziehung des Landes stark gemacht.

Wie es in der Vergabekommission und der Projektgruppe weitergeht, ist offen.