Auch nach der zweiten missglückten Hinrichtung in diesem Jahr sind die USA weit davon entfernt, die Todesstrafe abzuschaffen. Im Gegenteil: man diskutiert sogar wieder darüber, statt der Giftspritze den elektrischen Stuhl einzusetzen.

Washington - Die Gegner der Todesstrafe in den USA hoffen, dass der jüngste Fall einer grausam verlaufenen Hinrichtung Bewegung in die Debatte um die allgemeine Abschaffung von Exekutionen bringt. Im Bundesstaat Oklahoma war zuvor dem verurteilten Mörder Clayton Derrell Lockett ein Giftcocktail injiziert worden, der nicht wirkte. Der Mann starb nach einem fast 45 Minuten langen, qualvollen Todeskampf an einem Herzinfarkt. Selbst das Weiße Haus in Washington schaltete sich inzwischen ein und nannte die Hinrichtung unmenschlich.

 

Clayton Lockett Foto: dpa
Der Todeskampf von Clayton Lockett, der wegen des Mordes an einer 19 Jahre alten Frau im Jahr 1999 in der Todeszelle saß, begann nach Augenzeugenberichten 13 Minuten, nachdem er das Gift gespritzt bekommen hatte. Der Körper des Mannes verkrampfte und schüttelte sich. Der Todeskandidat hob mehrfach den Kopf und gab unverständliche Worte von sich. Locketts Anwalt erklärte später, er habe kaum zusehen können, wie sich sein Mandat quälte. Reporter der Zeitung „Tulsa World“, die aus einem Nebenraum die Hinrichtung beobachteten, notierten: „18.38 Uhr. Lockett verzieht das Gesicht, er stöhnt (. . .) Er versucht sich aufzurichten. Er scheint Schmerzen zu haben.“ Kurz darauf schlossen Gefängnismitarbeiter die Jalousien vor dem Fenster zum Zuschauerraum.

Pharmakonzerne weigern sich, tödliche Cocktails zu verkaufen

Nach exakt 43 Minuten sagte der Gefängnisdirektor Robert Patton, dass die Hinrichtung gestoppt worden sei. „Wir hatten ein Venenversagen, deswegen konnten die Chemikalien nicht in den Straftäter gelangen.“ Dass Lockett inzwischen tot war, sagte Patton jedoch offenbar nicht. Erst später wurde bekannt, dass der Mörder einem Herzinfarkt erlag. Locketts Anwalt bezweifelte, dass die Giftmischung eine ausreichende Menge des Betäubungsmittels Midazolam enthielt. Außerdem sagte David Autry, er traue den Angaben der Gefängnisverwaltung nicht, wonach eine Vene im Körper seines Mandanten geplatzt sei. Lockett ist der zweite Todeskandidat, der in diesem Jahr in den USA qualvoll gestorben ist. Im Januar war Dennis McGuire in Ohio erst eine halbe Stunde nach der Injektion für tot erklärt worden.

Ein Grund für die missglückten Hinrichtungen ist der Mangel an geeigneten Chemikalien. Viele ausländische Pharmakonzerne weigern sich inzwischen aus Sorge um ihr Image, den US-Behörden die tödlichen Cocktails zu verkaufen. Gefängnisse müssen sich deshalb offenbar zweifelhafter Quellen bedienen, um an die Gifte zu kommen. Besonders brisant ist, dass einzelne Staaten verschweigen dürfen, woher sie den Cocktail für die Exekutionen beziehen.

Die Bürgerrechtsorganisation ACLU erklärte, in US-Gefängnissen würden offenbar wissenschaftliche Experimente mit unzureichend getesteten Wirkstoffen an Todeskandidaten vorgenommen. Ryan Kiesel, der ACLU-Direktor im Staat Oklahoma sagte, es gehe dabei ausschließlich um die Frage, „ob wir genügend Vertrauen zu den Behörden haben, um ihnen zu erlauben, ihre Bürger – auch die Schuldigen – mit einem Geheimverfahren zu töten“.

Rückkehr zum Erschießungskommando oder zum Galgen?

Angesichts der internationalen Empörung über den Fall Clayton Lockett hoffen die Gegner der Todesstrafe nun auf eine Debatte über das Ende des Hinrichtungswesens in den USA. Der Juraprofessor Richard Garnett zum Beispiel sagte, nun müssten sich die Amerikaner Gedanken darüber machen, ob die Todesstrafe weise und moralisch vertretbar sei.

Bis die Todesstrafe, die noch in 32 Bundesstaaten gilt, jedoch im ganzen Land abgeschafft ist, werden voraussichtlich noch Jahre vergehen. Vorerst denken die Gefängnisbehörden eher darüber nach, ob sie anstelle der Giftspritze wieder auf Exekutionsmethoden wie den elektrischen Stuhl, den Galgen oder das Erschießungspeloton zurückgreifen. Auch Washington will vorerst an der Todesstrafe festhalten.