Der Besuch von Außenminister Heiko Maas in der Türkei zeigt die Grenzen der Normalisierung. Sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu lehnt politische Forderungen seines Gastes ab.

Istanbul - Zum Abschied klopften sich die beiden Minister freundschaftlich auf die Schulter. „Dann mach’s gut“, sagteAußenminister Heiko Maas (SPD) seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu und lächelte mit ihm in die Kameras. Ganz so unkompliziert, wie die Szene nach dem Ende der Gespräche mit seinem türkischen Kollegen am Donnerstag in Istanbul zu suggerieren schien, sind die Bemühungen um eine Rückkehr zu normalen deutsch-türkischen Beziehungen jedoch nicht.

 

Maas trifft auch AKP-Kritiker

Keine halbe Stunde nach seinem Abschied von Cavusoglu setzte sich Maas mit Leuten zusammen, die der türkischen Regierung als Querulanten oder gar als Staatsfeinde gelten. Im deutschen Generalkonsulat am Bosporus sprach Maas gut anderthalb Stunden lang mit prominenten Vertretern der türkischen Zivilgesellschaft. Dabei war unter anderem die Tochter des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink, der im Jahr 2007 von einem Rechtsextremisten erschossen wurde, möglicherweise mit Wissen der türkischen Sicherheitsbehörden. Zu Maas‘ Gästen gehörten auch Vertreter der Stiftung des Kunstmäzens Osman Kavala, der seit fast einem Jahr ohne Anklageschrift in Haft sitzt. Maas hörte sich Berichte über die Gängelung der türkischen Justiz und Beschränkungen der Meinungsfreiheit an. Zur Sprache kam auch das Vorgehen der Behörden gegen die so genannten Samstagsmütter, die Aufklärung über das Schicksal ihrer vom Staat verschleppten Angehörigen fordern. Die Istanbuler Polizei hatte vor knapp zwei Wochen eine friedliche Mahnwache der Frauen mit Wasserwerfern auseinander getrieben und danach alle weiteren Kundgebungen der Gruppe verboten. „Es war ein sehr produktives Gespräch“, sagte der Anwalt Veysel Ok, der den deutsch-türkischen Reporter Deniz Yücel und andere Kritiker der türkischen Regierung vor Gericht vertritt und ebenfalls bei Maas mit am Tisch saß. „Wir haben ihm gesagt, dass er unsere Probleme berücksichtigen soll, wenn er den Dialog mit der Türkei fortsetzt“, sagte Ok unserer Zeitung in Istanbul. Der Bundesaußenminister habe das versprochen.

Dass er einen kritischen Dialog mit Ankara führen will, betonte Maas zu Beginn bei seinem Antrittsbesuch in der Türkei mehrmals. Mit Cavusoglu, den er den „lieben Mevlüt“ nannte, sprach Maas unter anderem über die in der Türkei inhaftierten Bundesbürger. Konkrete Ergebnisse konnte er nicht mit nach Hause nehmen.

Vielmehr lehnte Cavusoglu die Forderung des Gastes ab, vor einer Normalisierung der deutsch-türkischen Beziehungen müsse Ankara politisch „liefern“. Es könne keine Vorbedingung für die Normalisierung geben, sagte der türkische Minister. Mehr Gemeinsamkeit gab es mit Blick auf die Lage im syrischen Idlib, wo eine geplante Regierungsoffensive zu einer neuen Fluchtwelle mit Auswirkungen bis nach Europa führen könnte. Maas betonte, die Bemühungen der Türkei, den Großangriff noch zu verhindern, müssten unterstützt werden. Er stellte zusätzliche humanitäre Hilfe aus Deutschland in Aussicht, falls es einen neuen Flüchtlingsansturm geben sollte.

Cavusoglu bleibt zurückhaltend

Maas wollte nach eigenen Worten bei seinem ersten Besuch in der Türkei vor allem damit beginnen, das in den vergangenen Jahren zerrüttete deutsch-türkische Verhältnis wieder aufzubauen. „Es war ein guter Start“, sagte er, räumte aber ein: „Ein paar Dinge müssen gelöst werden.“ Mit den gegenseitigen Vorwürfen wie in den vergangenen zwei Jahren komme man nicht weiter. „Damit muss Schluss sein.“ Maas und Cavusoglu werden schon bald Gelegenheit haben, weiter an der Normalisierung zu arbeiten.

In drei Wochen wird der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin erwartet. Auch danach werden die beiden Minister wahrscheinlich noch eine ganze Weile miteinander auskommen müssen. Cavusoglu, seit drei Jahren im Amt, hat das Vertrauen Erdogans. Maas ist zwar erst seit März deutscher Außenminister, doch er hat sich offenbar mit seinem Amt angefreundet, wie er den Schülern in Istanbul sagte: „Ich find’s ganz okay als Außenminister.“