In Baden-Württemberg werden Betriebe nur selten vom Amtsveterinär begutachtet. Doch Tierschützer, die heimlich dort filmen, sollen schärfer verfolgt werden.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Stuttgart - Die baden-württembergischen Nutztierbetriebe werden durchschnittlich nur alle 19,3 Jahre durch das Veterinäramt nach den tierschutzrechtlichen Vorgaben der EU kontrolliert. Dies geht aus einer Statistik der Bundesregierung für die Jahre 2009 bis 2017 hervor. Im Ranking der 16 Bundesländer liegt Baden-Württemberg auf Platz elf, nur in Bayern, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern schauen noch seltener Behördenmitarbeiter nach, wie die Tiere in den Ställen gehalten werden.

 

Die Zahlen erhalten eine zusätzliche Brisanz dadurch, dass die Bundesregierung beabsichtigt, gegen Tierschützer härter vorzugehen, die in Agrarbetriebe eindringen, um Missstände aufzudecken. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.“

Der baden-württembergische Agrarminister Peter Hauk (CDU) hält die Überwachung der Nutztierbetriebe für ausreichend. Neben den tierschutzrechtlichen gebe es „viele anlassbezogene Kontrollen“. Diese behördlichen Maßnahmen seien jedoch „statistisch nicht relevant und werden nicht aufgenommen“. Es könne nicht geduldet werden, dass einzelne Bürger staatliche Aufgaben wahrnehmen: „Die Landesregierung hat sich bereits in der Vergangenheit stets klar und deutlich gegen jegliche Einbrüche in Tierhaltungen positioniert und sich für eine effektive strafrechtliche Ahndung ausgesprochen.“

Strafrechtler fordert mehr Personal

Jens Bülte, Professor für Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Mannheim, kritisiert die Politik scharf. „Sollen tatsächlich Menschen bestraft werden, die im Interesse des Tierschutzes als Verfassungsgut und in echter Gewissensnot handeln, um elementares Versagen des Staates und systematische Rechtsverstöße der Agrarwirtschaft aufzudecken?“, fragt er. „Wenn das die Absicht der Bundesregierung ist, wird jedes Bekenntnis zum Tierschutz im Koalitionsvertrag zur Makulatur.“ Vielmehr, so Bülte, sei der Staat gefordert, mehr gegen Tierquälerei in Agrarbetrieben zu unternehmen. Die Veterinärämter, aber auch die Strafjustiz hätten zu wenig Personal, um Missstände aufzudecken und zu ahnden. Zudem beobachte er bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten „bisweilen eine gewisse Ignoranz gegenüber geltendem Recht, wenn es darum geht, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zu verfolgen“.

Unterdessen hat der Tierschützer Jonathan Steinhauser eine Beschwerde beim baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Steinhauser war im Mai 2015 mit zwei Mitstreitern des Tübinger Vereins Act for Animals in einen Putenmastbetrieb in Ilshofen-Rupertshofen (Kreis Schwäbisch Hall) eingedrungen, um Videoaufnahmen von Missständen zu machen. Dafür wurde er im vergangenen Jahr wegen Hausfriedensbruch verurteilt. Das Landgericht Heilbronn vertrat die Auffassung, es sei „allgemein anerkannt“, dass „die Mast in Massentierhaltungen nicht artgerecht erfolgen kann“ und daher „einer Vielzahl von Tieren auch Schmerzen zugefügt werden“.

Steinhausers Rechtsanwalt, der ehemalige CDU-Landrat, Staatssekretär und Richter Hans-Georg Kluge, spricht von einem „Skandalurteil, das an den Grundfesten des deutschen Tierschutzrechts rührt“. Es habe „eine besondere Bedeutung über den Einzelfall hinaus“. Mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ist nicht vor Herbst dieses Jahres zu rechnen.