Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sucht in Tunesien, Marokko und Algerien Partner im Kampf gegen den Terror – und erlebt viel Misstrauen. Die islamistischen Anschläge in Paris wirken nach.

Algier - Vier verregnete Tage liegen hinter ihm, als Frank-Walter Steinmeier vor dem Gästehaus der algerischen Regierung am Ende seiner Reise nach Marrakesch, Tunis und Algier in die Sonne tritt. Wenigstens das Wetter meint es endlich gut mit ihm. Ernst waren die Gespräche. Die islamistischen Anschläge in Paris wirken nach, und die Sorge der Gastgeber ist groß, dass die Europäer, allen voran die Deutschen, alle Moslems unter Generalverdacht stellen könnten. Sehr genau haben sie die islamfeindlichen Proteste auf deutschen Straßen registriert. Schwer fällt es ihnen, deren Bedeutung einzuschätzen. Immer wieder, sagt Steinmeier, habe er klarstellen müssen, dass diese Menschen „nicht für Deutschland stehen“, mögen sie noch so laut rufen: Wir sind das Volk! In Nordafrika sorge man sich, „ob sich da etwas in Richtung bekannter Parolen aus der Vergangenheit entwickelt“, so Steinmeier. Die Pegida-Bewegung hat seine ohnehin komplizierten Missionen in der islamischen Welt nicht leichter gemacht.

 

Dabei ist eben diese Reise nach Marokko, Tunesien und Algerien für Steinmeier von großer Bedeutung. Er braucht nach den Anschlägen in Paris deren Unterstützung. Gegen jene, die nach Syrien ziehen, dort kämpfen und dann zurückkehren, den Tod im Gepäck. Er verspricht wirtschaftliche Hilfe, ja, in Tunesien und Algerien auch militärische Unterstützung zur Sicherung der Grenzen zum Terroristenparadies Libyen. In Marokko, Tunesien und Algerien findet er noch einigermaßen geordnete Strukturen und Ansprechpartner, mit denen er diesen Kampf abstimmen kann, und sei es auch um den Preis der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten, deren Arbeit nicht deutschen rechtsstaatlichen Maßstäben gerecht wird.

Rund 3000 Kämpfer sind allein aus Tunesien nach Syrien gezogen, weitere 9000 sollen laut tunesischer Regierung daran gehindert worden sein. Mag sein, dass Algerien ein demokratisch fragwürdig legitimiertes Regime und Marokko eine sich vorsichtig öffnende Monarchie ist. Aber Steinmeier sucht jetzt und heute Partner. Auf lupenreine Demokraten kann er im Maghreb nicht warten.

Ist Tunesien noch ein Hoffnungsland?

In Tunis wird Steinmeier Zeuge des eruptiven Selbstfindungsprozesses einer jungen Republik. Eben ist in Tunesien gewählt worden, ein Kabinett bildet sich, Mehrheiten im Parlament sind nicht gefunden, es wird mühsam. Im Auswärtigen Amt beobachten sie mit Sorge, dass der designierte Ministerpräsident Habib Essid bei der Auswahl seiner Minister mögliche Koalitionspartner, vor allem aber die moderate islamische Partei Ennahda vor den Kopf gestoßen hat. Man hatte in Berlin gehofft, dass die Moslempartei eingebunden wird. Die Sorge ist, dass in Tunesien die Front zwischen säkularen und moderaten islamischen Kräften wiederaufgebaut wird.

Lange galt Tunesien als Musterschüler, als einzig verbliebenes Hoffnungsland des Arabischen Frühlings. Aber der Widerstand wächst, vor allem bei jungen Menschen. Für sie war Demokratie während der bleiernen Zeiten der Unterdrückung eine Verheißung. Jetzt, so scheint es, ist sie für viele nur furchtbar anstrengend. Jeder Dritte mit Hochschuldiplom wechselt von der Uni direkt in die Arbeitslosigkeit.

Da kommt Steinmeier gerade recht. Vor dem Saal sieben der Universität El Manar, Steinmeier soll dort reden, proben in Tunis streikende Studenten ihr Recht auf Protest. Als Demokratielehrer will Steinmeier auftreten, die Mühen des ständigen Ringens um Lösungen erklären. Er ist, man merkt es ihm an, frustriert in diesen Tage, in denen die Schießwütigen in der Ostukraine all seine Vermittlungsbemühungen mit Dutzenden Toten vergelten.

„Ja, unsere Welt kann einem Angst einjagen“

500 junge Männer und Frauen bleiben auf Distanz. Vielleicht auch, weil seine Botschaft an die seit Jahren Angestrengten ist: strengt euch an. „Ja, unsere Welt kann einem Angst einjagen“, sagt Steinmeier. Die Anschläge in Paris, die vielen muslimischen Opfer der Islamisten andernorts, das alles werfe Fragen auf, die auch bei ihm die Sehnsucht nach einfachen Antworten befeuerten. „Doch die Wahrheit ist: Es gibt sie nicht!“ Das sei ein Problem, denn die Demagogen gaukelten einfache Antworten vor, die Islamisten, aber auch „manche auf deutschen Plätzen“, die den Islam für alles Böse verantwortlich machten. „Wer mit Religion aufhetzt, tut genauso falsch wie der, der gegen Religion aufhetzt.“ Dieser „Lockruf der Feindbilder“ passe nicht in eine Welt „in der nur wenig schwarz-weiß“ sei.

Die Studenten halten Reden, viele wütend, nicht auf Steinmeier, der scheint ihnen gar nicht so wichtig. Da ist die Angst davor, dass sie als junge Moslems stigmatisiert werden könnten. Und die Sorge, dass in Tunesien ein autoritärer Despot den Kampf gegen Islamismus nutzen könnte, um die Demokratie wieder in Ketten zu legen. Eine Frau, sie trägt Kopftuch, sagt, sie sei nicht hier, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. „Wir suchen vor allem Jobs“, sagt sie. „Wir suchen nach keinem einfachen Weg, wir arbeiten hart.“ Es bleibt eine unsichtbare Wand zwischen dem Gast und den Zuhörern. Tiefes Misstrauen. Es scheint, als könne Steinmeier es nicht überwinden. Nicht an einem Tag.