Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sorgte mit seinem Waschlappen-Appell („Der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung“) für einige Diskussion. Aber wie hält es eigentlich die Landesregierung in den Ministerien mit dem Heizen?

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Wer aktuell in der Villa Reitzenstein zu Gast ist, sollte seine Garderobe gut überdenken. Heimelig warm wird es in den hohen Räumen des Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Regierungssitzes nicht. Eine Extraschicht und ein warmer Schal empfiehlt sich. Ähnlich wie beim Ministerpräsidenten zu Hause in Laiz, wo Winfried Kretschmann nur das Wohnzimmer heizt, wie er jungst verriet, wird auch im Staatsministerium auf die Temperatur geachtet. Was sind die Energiesparttricks der grün-schwarzen Ministerien?

 

Fleecedecken und EnSikuMav

Einige Bestimmungen kommen nicht vom Land. Die hat sich die Bundesregierung in der Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen oder kurz „EnSikuMaV“ ausgedacht. In Räumen für sitzende Arbeiten darf nur eine Höchsttemperatur von 19 Grad herrschen. Am Wochenende und in der Nacht werde zusätzlich abgesenkt, heißt es aus dem Staatsministerium. Entsprechend kann man sich vorstellen, wie frostig es sich am Montagmorgen in den Büros mancher historischer Gebäude anfühlt. Finanz- und Wirtschaftsministerium beispielsweise sind teils im Neuen Schloss untergebracht.

Das Staatsministerium stellt seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deswegen Fleecedecken zur Verfügung. Auch Wirtschaftsministerium und Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen teilen bei Bedarf Decken aus.

Thermometer und Smart-Technologie

Die Mitarbeiter von Wirtschaftsministerium und Wohnungsbauministerium haben außerdem kleine Thermometer an die Hand bekommen, damit sie die Heizung aufdrehen können, wenn die Temperatur unter 19 Grad fällt. In 53 Büros – verteilt auf alle Dienstgebäude – gibt es geeichte und online vernetzte Temperaturmessfühler. Anhand der damit gemessenen Temperaturen werden die Heizungsanlagen feinjustiert. „Stand heute weisen diese geeichten Temperaturmessfühler eine Durchschnittstemperatur in unseren Häusern von 19,4 Grad aus“, teilt eine Sprecherin mit. Für Beschäftigte, die nachweislich aufgrund besonderer gesundheitlicher Bedürfnisse eine höhere Temperatur benötigen, werde gesondert Sorge getragen.

Türe zu und kaltes Wasser

Im Wissenschaftsministerium stehen die Heizkörper nur noch auf Stufe 3. Im Kultusministerium ruft man die Mitarbeiter auf, die Türen zu schließen und die Heizkörper bei Abwesenheit selbst herunterzudrehen. In Durchgangsräumen wie Treppenhäusern wird gleich gar nicht mehr geheizt. Außerdem sollen die Mitarbeiter Stoßlüften. Die Durchlauferhitzer an den Waschbecken seien deaktiviert worden. Auch in anderen Häusern müssen sich die Mitarbeiter die Hände mit kaltem Wasser waschen.

Lichter und Drucker aus

Im Finanzministerium wurde die Flurbeleuchtung um bis zur Hälfte reduziert. Vor dem Neuen Schloss, in dem Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) residiert, wurde die Fassadenbeleuchtung begrenzt. „Leuchten mit dekorativem Charakter haben wir vollständig außer Betrieb genommen“, sagt ein Sprecher. „Auch die Brunnen im Ehrenhof und auf dem Schlossplatz wurden frühzeitig eingewintert.“ Das Finanzministerium hat einen Ideenwettbewerb ausgelobt. 800 Ideen wurden eingereicht, darunter etwa die Bildschirmhelligkeit zu reduzieren oder den zweiten Monitor am Arbeitsplatz abzuschalten – außerdem wurde angeregt nur noch zentrale Drucker zu nutzen.

Neuer Dresscode

„Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde empfohlen, wärmende Kleidung zu tragen und vermehrt die Treppen zu Fuß zu gehen“, heißt es aus dem Innenministerium. Tatsächlich hört man auch aus anderen Häusern, dass der Dresscode sich sichtlich verändert habe. Wo sonst Blusen und Blazer getragen wurden, halten jetzt warme Pullover und lange Unterhosen Einzug, wird aus mehreren Ministerien berichtet.

Und über Weihnachten?

Da werden einige Gebäude einfach still gelegt. Im Umweltministerium werde versucht an Brückentagen, die Häuser zu schließen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zu Hause arbeiten zu lassen, um weitere Energie einzusparen, teilt ein Sprecher mit. Im Kultusministerium wird das Gebäude im Postquartier bis einschließlich 1. Januar komplett geschlossen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nehmen in der Zeit frei oder arbeiten im Homeoffice. Auch im Ministerium für ländlichen Raum wird es ungemütlich: „Über Weihnachten und den Jahreswechsel wird das Gebäude nur eingeschränkt beheizt, der Dienstbetrieb wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Zeitraum weitgehend im Homeoffice sichergestellt“, teilt ein Sprecher mit. Im Staatsministerium will man die Dienstgebäude soweit wie möglich technisch und organisatorisch herunterfahren und die wirklich notwendigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem modernen, besonders energieeffizienten Gebäude bündeln. In direkter Nachbarschaft zur Villa Reitzenstein wurde 2016 das Eugen-Bolz-Haus gebaut.

Die Villa Reizenstein

Licht
Die Villa Reitzenstein wurde 1910 bis 1913 nach Plänen der Architekten Schlösser und Weirether im Auftrag der Witwe Baronin Helene von Reitzenstein – die Tochter des Verlegers erbaut. Sie investierte damals 2,8 Millionen Goldmark in die Villa. 1921 kaufte das Anwesen der württembergische Staat. Seit 1952 ist die Villa Amtssitz des baden-württembergischen Ministerpräsidenten.

Schatten
Von 1933 residierten die Nazis in der Villa. Sie war Sitz der Gau-Leitung des NSDAP. Nach dem Krieg zog übergangsweise die amerikanische Militärverwaltung ein.