Drei große alte Männer auf viel zu kleinen Rädern: Mit einem Trip auf sogenannten Bonanzarädern haben drei Esslinger viel Aufmerksamkeit erregt – und überall ein Lächeln geerntet.

Bonanza-Fahrräder waren der Renner in den 70er-Jahren. Mit langgeschwungenem Bananensattel, dem hohen gegabelten Lenker, nahm das Fahrrad den Easy-Rider-Chopper-Spirit aus den USA auf. Das Bike taugte zwar nicht für lange Strecken oder Routen, die bergauf führten, aber zum angeberischen Vorfahren vor die Eisdiele war das Rad ideal. Insbesondere, wenn es individuell gepimpt war, mit Fuchsschwanz an der Sitzlehne, mit Fransenschmuck am Lenker oder fantasievollen individuellen Verkleidungen. „Das hat letztlich den Reiz eines solchen Rads ausgemacht“, sagt Jörg (Jay) Mayer. „Jeder konnte sich seinen Highriser so aufmotzen, wie er wollte.“

 

Mayer, der einen Fahrradladen in Esslingen betreibt, fand über Ebay ein solches Kultrad, richtete es, fand Gefallen daran und kaufte weitere. Drei Bonanzas hat er mit Originalteilen wieder fahrbereit gemacht. „Das war richtig viel Arbeit“, sagt er im Rückblick. Mit seinen Kumpels Reiner Besinger und Uwe Bernich hat er schon öfter außergewöhnliche Touren gemacht. Inspiriert vom Roadmovie „25 km/h“ sind die drei im vergangenen Jahr auf Klapprädern die Strecke von Ulm an den Bodensee geradelt. So entstand die Idee, über zwei Tage 160 Kilometer von Lindau nach Konstanz um den Bodensee zu fahren. Die Tour war für die bike-erprobten Fahrer jedoch eine Herausforderung. Das Rad ist relativ schwer, der Sattel ohne Polsterung erzeugt schnell einen schmerzenden Hintern, bergauf mussten sie schieben, bergab ebenso, da bei Talfahrten schnell Sturzgefahr herrscht. Der Lenker eignet sich nicht zum freihändigen Fahren, da er sofort einschlägt und das Rad umwirft. Und das Strampeln vom niedrigen Sattel aus belastet die Knie. „Insbesondere die fehlende Fahrsicherheit hat wohl dazu geführt, dass die Produktion der Bonanzaräder relativ früh wieder eingestellt wurde“, vermutet Mayer.

„Überall da, wo wir aufgetaucht sind, haben wir freundliche Gesichter gesehen und ein Lächeln geerntet“, sagt Reiner Besinger. „Und es war ja auch ein witziger Anblick: Drei alte Männer in kompletter Bike-Montur, auf viel zu kleinen Rädern“, erzählt er. Und an den Rädern selbst gab es ja auch viel zu entdecken. Die grün-weiße Verkleidung, auf der „Pozilei“ steht, die Fransen am Lenker, der Wimpel am Sitz, Totenkopfventile am Rad und nicht zu vergessen die auffällige Drei-Gang-Nabenschaltung am Rahmen, die aufgrund ihrer Form und ihrem Sitz zwischen den Beinen des Fahrers Pornoschaltung genannt wurde. Extra Hupen machten lustige Geräusche – so wie der Sound am Griff, der einen aufheulenden Motorradmotor imitierte. Das ließ Reiner Besinger an einer Ampel neben einem „echten“ Motorradfahrer hören. „Der fand das nicht witzig, aber er war der einzige, der uns nicht witzig fand“, sagt er. Viele Menschen hätten sich an ihre Jugend und an ihr eigenes Bonanzarad erinnert. Erinnerungen wurden ausgetauscht. Ein Mann berichtete von einem schlimmen Sturz, bei dem sich der Lenkergriff in seinen Hals gebohrt hat. Die Narbe habe er stolz gezeigt.

Der beste Kommentar kam von einem Kind, erinnert sich Uwe Bernich: „Der Kleine hat seinen Vater fassungslos angeschaut und gefragt: ‚Papa, was ist das denn?‘“ Die Tour lief auch fast ohne Probleme ab: Ein Sturz, wenngleich schmerzhaft und eine siebenstündige Reparaturunterbrechung, waren die einzigen Wermutstropfen.

Bonanza-Freaks suchen weitere Fahrrad-„Verrückte“

Club
 Jay Mayer und seine Kumpels haben noch nichts Konkretes für das kommende Jahr geplant, aber eine Fahrt mit einem ungewöhnlichen Gefährt soll es wieder werden. Eine noch vage Idee gibt es, einen Club zu gründen: „Nicht unbedingt ausschließlich für Bonanzabikes, aber einen Club für außergewöhnliche Räder können wir uns vorstellen“, sagt Jay Mayer. Sein Kontakttelefon: 0179/4993146

Bonanzarad
Entstanden ist der Trend in den 60er-Jahren an der amerikanischen Westküste, die Welle schwappte in den 70ern nach Europa über. Die Räder waren zunächst für Kinder gedacht. Bonanza war ursprünglich ein Markenname, wurde aber auf alle Fahrräder ähnlichen Typs übertragen. In Deutschland konnte man das Rad bei Neckermann bestellen. Der Boom ebbte ab, als die deutlich robusteren BMX-Räder in Mode kamen.