Der 31-Jährige, der seine schlafende Frau in einem Flüchtlingsheim in Weil im Schönbuch erstechen wollte, muss für elf Jahre ins Gefängnis. Sie hatte den Angriff nur knapp überlebt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Weil im Schönbuch - Für den Vorsitzenden Richter war die Tat heimtückisch: „Das Opfer war nicht nur arglos und wehrlos“, erklärte er im Stuttgarter Landgericht, der Angeklagte habe die Situation auch noch ausgenutzt. Wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilte er deshalb den 31 Jahre alten Flüchtling aus Afghanistan zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren.

 

Der Mann hatte im vergangenen Dezember in einer Flüchtlingsunterkunft in Weil im Schönbuch 13-mal mit einem Messer auf seine schlafende Frau eingestochen. Sie überlebte den Angriff nur knapp. Der Verteidiger des Angeklagten hatte auf versuchten Totschlag im Affekt und eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren plädiert.

Mit viel Heimtücke am Werk

Nach Ansicht des Richters war der Mann jedoch mit viel Heimtücke am Werk. Er verschloss zum Beispiel die Türe des Zimmers der Familie und stach in der Dunkelheit zu. Am Abend hatte die Frau mit ihrem Geliebten ein Fest besucht – und ihr Ehemann vermutlich von der Beziehung erfahren. „Welcher Hund hat deine Lippen gebissen?“, soll der 31-Jährige sie gefragt haben, als sie ihre Familie später am Abend bei einem Bekannten wieder traf. Frostige Stimmung soll laut Zeugen geherrscht haben. Doch zum Streit kam es nicht. Stattdessen legte sich die Frau in der Unterkunft mit der kleineren der zwei und fünf Jahre alten Töchter ins Bett. „Dass sie geschlafen hat, zeigt, dass sie nicht mit einem Angriff gerechnet hat“, sagte der Richter.

Eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängte die Kammer nicht, obwohl das Leben des Opfers eigentlich schon vorbei war. Nur durch das umsichtige Vorgehen einer Notärztin, die die Frau am Tatort wiederbelebte, sowie eine Notoperation konnte sie gerettet werden. Ein Stich ging nur knapp am Herz vorbei. Das mildere Urteil rechtfertigte der Richter damit, dass der Angeklagte strafrechtlich völlig unbelastet war und aus Hilflosigkeit zum Messer gegriffen habe. „Er fühlte sich ausgenutzt und im Stolz verletzt“, erklärte er.

Beziehung war nie harmonisch

Nach Ansicht des Richters waren die Beziehungsprobleme der Grund für die Tat und nicht die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Afghanistan. „Fremdgehen steht in seiner Kultur aber unter strenger Strafe“, sagte der Richter. 13 Jahre alt war die Frau, als sie verheiratet wurde, rund 1500 Euro war der Preis für die Braut. Harmonisch war die Beziehung wohl nie. Im Februar 2016 kam die Familie nach Deutschland. Die Taliban gab der Mann als Fluchtgrund an, sie nannte rein wirtschaftliche Gründe. „Die Geschädigte genoss die ihr zuerkannten Freiheiten in Deutschland“, sagte der Richter. Die Frau habe sich teilweise auch rücksichtslos verhalten: Sie hatte nicht nur den Geliebten, sie überließ ihm zudem weitgehend die Kinderbetreuung und die Hausarbeit. Der 31-Jährige überlegte schon, ob er die Familie zurück nach Afghanistan bringen sollte, weil ihm seine Frau aus den Händen glitt.

„In der Tatnacht reifte bei ihm der Entschluss, sich diese Demütigung nicht mehr länger bieten zu lassen“, sagte der Richter. In Tötungsabsicht habe er gezielt auf den Oberkörper seiner Frau eingestochen. Zwar konnte sie sich kaum wehren, aber ihre Schreie riefen die Nachbarn auf den Plan. Am Bahnhof in Böblingen wurde er am nächsten Tag verhaftet.