Die Bar Süßholz am Wilhelmsplatz besticht durch mehr als nur süffige Drinks und derbe Beats - und zwar mit Kunst an jeder Ecke. Was sich Kupfi-Chef Christopher Warstat und Künstler Robin Treier dabei gedacht haben, erzählten sie uns kürzlich bei einem Talk am Tresen.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - Am Wilhelmsplatz wurde ganz schön Süßholz geraspelt. Damit ist weniger die umschmeichelnde Anmache gemeint, sondern viel mehr waschechtes Handwerk. Denn in der neuen Bar Süßholz, für die sich die Schräglage-Macher mit den Chefs vom Freund & Kupferstecher (FuK) zusammenschlossen, wurde interiormäßig Vollgas gegeben und das auf unaufdringliche und doch kreative Art und Weise. Kupfi-Boss Christopher Warstat war dabei mehr als gern der Ideengeber. Er war es auch, der Künstler Robin Treier ins Boot holte, der die Gestaltung der Wände und des Logos übernahm. 

 

Kunst-Raum für Veränderung

Pinkfarbenes Neon-Licht, eine minimalistische Inneneinrichtung und viele bunte Collagen an den Wänden. Das Süßholz ist mehr als eine Bar, ja fast schon eine Art Kunst-Raum, wenn man so will. Denn es gilt und gibt viel zu entdecken. Und das Erscheinungsbild ist genau so gewollt. Unfertig wirkende Wände etwa seien Teil eines durchdachten Konzepts, gibt Robin preis. "Ich freue mich, wenn Leute fragen: Wird hier noch was gemacht oder wurde hier schon was gemacht? Das ist schön, denn genau dieser Eindruck sollte entstehen - If you've done your job right, people will wonder, if someone did anything at all."

Zum Hintergrund: "Felix und ich haben schon lange mit dem Gedanken gespielt, eine Bar aufzumachen", erinnert sich Chris. Man wolle sich ja auch weiterentwickeln. "Und dann ging doch alles recht schnell." Der Wunsch: Eine Bar zu schaffen, die den Nerv der Zeit trifft. Eine, mit dem Prädikat self-made, ohne Hilfe einer Agentur. Im Süßholz steckt Herzblut drin - das steht fest. Aber da ist noch so viel mehr.

"Da ist vor allem auch Raum für Veränderung entstanden, kreativ, lebendig. Da darf gerne mal was an den Wänden passieren, der Gast hinterlässt Spuren, in welcher Form auch immer", so der Club-Betreiber weiter. "Es darf hier drin gelebt werden - das hat mir in der Stadt bislang gefehlt. Und das war auch der Gedanke, wie wir an den Umbau herangegangen sind." Schließlich wurde Künstler Robin hinzugezogen. "Ich habe ihn einfach gefragt, ob er Bock hat mitzumachen", so Kupfi-Chris. Auch deshalb, weil man sich graphisch anders darstellen wollte als das FuK und die Schräglage. "Wir wollen mit dem Süßholz nicht als die Bar von dem und dem wahrgenommen werden, sondern als Süßholz."

WG-Party-Feeling - sexuell angehaucht

Zum Namen gibt's laut Chris übrigens keine tolle Story. "Er sollte einfach zu dem passen, was wir machen, einprägsam sein, nicht unbedingt für eine Bar stehen müssen, mit dem man aber auch spielen kann." Bei "Süßholz" gibt der Name einfach schon ein bisschen was vor, er passt gut in die Gegend, lässt sich schön schreiben, kann gut abgekürzt werden. Mit Robin habe man sich dann zusammen den Schriftzug überlegt, wie er aussehen könnte. Und der Künstler habe viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, dass er am Ende auch so geschrieben wird, wie er nun geschrieben wurde. "Das war ein wirklich schöner Moment, endlich einmal an etwas zu zeichnen, dass danach tatsächlich zu handgemachten Neonröhren wurde. Ich war happy, dass der Look der Kabel und der Röhren so herauskam wie erhofft. Er erinnert mich immer wieder an etwas aus den Filmen '12 Monkeys' (in den Zukunftsparts) oder dem Film 'Brazil', wenn's um Nacktheit und die Wahl der Kabelfarbe geht", berichtet der kreative Tausendsassa.

Das mit dem pinken Neon-Licht sei übrigens auch schnell festgestanden. Je weiter hinein man sich wagt, desto verruchter wird es. "Das hatten wir uns aufgrund der Nachbarschaft so gedacht, es sollte verspielt, sexuell angehaucht, aber nicht ganz so offensichtlich, sondern eher versteckt rüberkommen", so Chris. Vorne, im Eingangsbereich, sei der Look cleaner und gesetzter, oben hingegen sollte man eine Art WG-Party-Feeling bekommen. "Die Leute sollen ins Süßholz reinkommen, sich sofort wohlfühlen und erkennen, dass hier nicht alles krass durchkonzeptioniert ist. Trotzdem und gern darf man aber ein Auge für sehr viele kleine Details haben." 

Die Living-Art-Wall 

Da wäre zum Beispiel die sich ständig verändernde Wand im Eingangsbereich, an der monatlich ein neues Print zu sehen ist - die alten aus den Monaten davor aber nicht gänzlich verschwunden sind. Es bleiben Rückstände stehen, ein neues Kunstwerk entsteht, die Wand lebt. Und hinter allem stecke ein Konzept. "Ohne Konzeption entsteht etwas Nettes, aber Bedeutungsloses. Im Süßholz ist alles so gewollt, hier ist nichts Zufall. Ich bin frei und künstlerisch an das Projekt herangegangen, so war es gewünscht. Und manchmal fällt gar nicht auf, dass etwas Künstlerisches auch einen pragmatischen Effekt erfüllt", so Robin.

Der Kreativkopf habe anfangs viel gegrübelt, wenig sei greifbar gewesen. "Dann gab es den groben Rahmen, so in der Art wird das Ganze mal aussehen. Im oberen Bereich machten die Wände Bekanntschaft mit der Flex, bis irgendwann dunklere Farbe sichtbar wurde, unten war's genau andersrum, die Wände wurden patiniert. Es sollte so wirken als wäre es eine alte antike Wand, wo beim Abziehen der Tapeten aus vielen Jahrzehnten Material sichtbar wurde." In die Patina-Wand im unteren Bereich habe der Künstler drei bis vier Tage Arbeit hineingesteckt, oben waren es zwei bis drei Wochen. "Es ist auffallend schwierig, etwas zufällig wirken zu lassen", betont Robin. "Das Schlimmste wäre für mich gewesen, wenn jemand in die Bar kommt und genau nachvollziehen kann, wie ich das alles gemacht habe." 

Details zu den Collagen plaudert Robin in der Bildergalerie aus.

Süßholz: täglich ab 17 Uhr geöffnet, zum Sommer hin gibt's neue Öffnungszeiten. Diesen Mittwoch geht aber erstmal mit "Beat & Greet" eine neue Veranstaltungsreihe an den Start, eine Plattform für junge und gestandene Produzenten, bei der es musikalisch sehr entspannt zugehen soll. Hier erfahrt ihr mehr.