Anderthalb Jahre nach dem ersten Treffen haben sich 35 von 40 Teilnehmern des von der Stadt organisierten Bündnisses für Wohnen auf Regeln geeinigt, mit denen die Zahl bezahlbarer Wohnungen für einkommensschwache Haushalte wieder steigen soll.

Stuttgart - Anderthalb Jahre nach dem ersten Treffen haben sich 35 von 40 Teilnehmern des von der Stadt organisierten Bündnisses für Wohnen auf Regeln geeinigt, mit denen die Zahl bezahlbarer Wohnungen für einkommensschwache Haushalte wieder steigen soll. Aktuell kann die Stadt auf 18 000 geförderte Mietwohnungen zugreifen. Weil die Zinsen niedrig sind, begannen die Unternehmen, Förderdarlehen zurückzuzahlen und damit die Preisbindung aufzuheben. Allein durch das reguläre Ende des Förderzeitraums läuft in Stuttgart pro Jahr die Preisbindung für 450 Einheiten aus.

 

Der Verlust preisgünstigen Wohnraums kann nun gestoppt werden. „Wir haben die freiwillige Verpflichtung der Unternehmen erreicht, dass keine Sozialwohnungen mehr vorzeitig abgelöst werden“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne ) am Dienstag nach einer Sitzung des Bündnisses für Wohnen. 35 der 40 Teilnehmer hätten sich auf Eckpunkte geeinigt, drei dagegen gestimmt, zwei sich enthalten, so der OB. Die Eckpunkte sehen vor, dass die Unternehmen der Stadt jährlich 150 ältere Wohnungen für eine gebundene Belegung anbieten. Die Stadt kann diese dann subventionieren. Die stadteigene Stuttgarter Wohnungsbaugesellschaft (SWSG) soll allein 50 Einheiten bringen. Zudem sollen jährlich 300 neue Einheiten gebaut werden. Dazu passt die Stadt Förderprogramme an. Es sei eine „neue Partnerschaft entstanden, wir werden beim geförderten Wohnungsbau eine Dynamik erleben, so dass die 2013 vom OB ausgegebenen Ziele erreicht und übertroffen werden können“, sagte Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU).

Bauherren sollen Zuschuss erhalten

Kuhn hat das Ziel von jährlich 1800 Neubauwohnungen ausgegeben. Davon sollen 600 gefördert und von diesen 300 als Sozialwohnungen gebaut werden. 2015 entstanden rund 2150 Neubauwohnungen, darunter 62 Sozialwohnungen. Außerdem wurden 278 Anträge für den Bau einer Sozialwohnung gestellt. Im städtischen Haushalt stehen pro Jahr rund drei Millionen Euro allein für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung.

Neben einer Grundstücksverbilligung von bis zu 45 Prozent sollen die Bauherren künftig wenn nötig einen Zuschuss erhalten, der ihnen eine Eigenkapitalverzinsung von bis zu vier Prozent garantiert. Die Bindung läuft 25 Jahre. Die Mieten in den Sozialwohnungen sollen künftig „je nach Lage und Bodenpreisen“ zwischen 7,50 und 9 Euro pro Quadratmeter liegen. Bei neun Euro würden sie um bis zu 20 Prozent steigen, moniert die SPD-Fraktion im Gemeinderat. „Bei städtischen Belegungsrechten sollen sogar bis zu elf Euro möglich sein“, sagt Fraktionssprecher Martin Körner. Das steht nicht im Eckpunkte-Papier. Das habe mit preiswerten Mietwohnungen „nur noch wenig zu tun“. Für die Grünen im Gemeinderat nannte Silvia Fischer die Einigung einen „Meilenstein für den Wohnungsbau in der Stadt“.

Ein Fazit: heftig und kritisch, nicht alles sind zufrieden

Das Bündnis habe laut Thomas Wolf, dem Sprecher der AG der Stuttgarter Wohnungsunternehmen, eine „sehr gute Basis geschaffen, um die politischen Ziele der Stadt zu erreichen“. Marc Bosch, Vorstand Immobilienwirtschaft e.V., nannte die Gespräche „heftig und kritisch, und nicht alle sind zufrieden“. Bei 1800 Einheiten bleibe für den privaten Wohnungsbau aber noch „ein großes Feld“. Als erste Bauflächen nannte Föll das Schoch-Areal in Feuerbach, den Neckarpark in Bad Cannstatt, das Bürgerhospital (Mitte) und das Gebiet Böckinger Straße in Zuffenhausen. Auf diesen neuen Flächen sollen zwar 60 Prozent für den Sozialwohnungsbau reserviert werden, die Gesellschaften sollen aber die Hälfte der Einheiten in ihrem stadtweiten Bestand umwidmen können, so dass letztlich nur 30 Prozent der Neubauten sozial gebunden sind. Das soll Gettos vermeiden. Je zehn Prozent der Wohnungen in den neuen Gebieten werden mittleren Einkommensbeziehern (Mietpreise von 9 bis 10,50 Euro pro Quadratmeter) und Erwerbern von preiswertem Wohneigentum vorbehalten sein. Die Stadt will auch Baugenehmigungen erleichtern und beschleunigen. Man könne Bebauungspläne „womöglich einfach halten, die städtebaulichen Ziele aber dennoch erreichen“, sagte Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne).

Nicht verhandelbar war im Bündnis die Prämisse der Innenentwicklung. Neue Bauflächen im Außenbereich soll es nicht mehr geben. Das wird vom Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein, der das Bündnis verlassen hat, kritisiert. Auch Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mietervereins, bedauert das. Dass die Genossenschaften wieder in den Sozialwohnungsbau einsteigen, begrüßt er. Niedrigere Neubaumieten im geförderten Wohnungsbau habe der Mieterverein „leider nicht durchsetzen können“, sagt er.